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heute in hamburg„Ich empfinde mich als Kosmopolit“

Foto: privat

Michel Friedman, 62, Jurist, CDU-Politiker, Publizist, Fernsehmoderator und Direktor des Centers for Applied European Studies.

Interview Liyang Zhao

taz: Herr Friedmann, sind Sie ein Weltbürger?

Michel Friedman: Ich empfinde mich als Kosmopolit. Ich bin weltoffen. In meiner Biografie sind unterschiedlichste Kulturen verankert. Meine Eltern kamen aus Polen, ich bin in Paris geboren und lebe in Deutschland. Ich kann mich nicht nur mit einem Land identifizieren. Ich empfinde das Leben in Grenzen als eine vertane Lebenschance.

Was macht den Weltbürger aus?

Es ist Zufall, an welchem Ort ein Mensch geboren ist. Und der Mensch ist ein wanderndes Lebewesen. Grenzen sind auf dünnstem Eis konstruiert. Der Weltbürger dekonstruiert sie. Er steht der Welt offen gegenüber.

Warum entstehen Gegenbewegungen wie national-populistische Parteien und Proteste?

Hinter der ursprünglichen Idee der Nationen steckte eine Hoffnung auf bessere Lebensbedingungen, dass man sich besser gegen Feinde wehren kann und Dinge leichter in einer Gemeinschaft zu organisieren sind. Allerdings war die Idee der Nation schon immer auch auf Abgrenzung ausgelegt. In manchen EU-Mitgliedsstaaten wie Polen oder Ungarn sind Rassismus und Nationalismus sogar in der Regierung verankert.

Widerspricht das der europäischen Idee?

Ja, die reine Betrachtung der Nation ist kontra­produktiv, sie bringt keine Lösungsansätze. Einbeziehung statt Ausgrenzung, Kooperation statt Konfrontation, das ist die Lösung. Wenn wir diesen Zivilisationssprung nicht schaffen, werden die Kriege, die Armut und das Elend auf der Welt nicht weniger. Wir müssen über den Tellerrand hinaus schauen.

Ist der Brexit ein Zeichen für ein stärkeres Nationalgefühl?

Nein, er zeigt bloß eine Momentaufnahme, die durch Emotionen und die aktuelle Politik beeinflusst war. Das hat allerdings dramatische Konsequenzen. Sich nur als Nation zu identifizieren, bedeutet Isolation. Als Mitglied der EU gibt man keine Identität auf, sondern es kommt eine hinzu. Der Brexit will sagen, dass nichts dominanter ist als Großbritannien. Das ist ein Fehler. Konfrontation statt Kooperation ist ein Rückschritt.

Was soll die Gesprächsreihe „Bridging the Gap“ erreichen?

Brücken bauen, man muss keine Identität aufgeben. Staaten sollten sich mit ihren Interessen nicht isolieren. Mehr Austausch und Permeabilität bilden die Zukunft. Das zu schaffen ist unsere Aufgabe.

Dialogreihe„Bridging the Gap“: 20 bis 22 Uhr, Bucerius Kunst Forum, Rathausmarkt 2

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