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heute in hamburg„In Kliniken wird am Fließband gearbeitet“

Foto: privat

Axel Hopfmann, 62, Sprecher des Hamburger Bündnisses für mehr Personal im Krankenhaus. Er arbeitete als Krankenpfleger.

Interview Adèle Cailleteau

taz: Herr Hopfmann, wie groß ist die Personalnot in Hamburgs Krankenhäusern?

Axel Hopfmann: So groß, dass viele Pflegekräfte den Beruf verlassen oder in Teilzeit gehen. Ich schätze mal, dass wir in Hamburg zwischen 4.000 und 5.000 Fachkräfte zusätzlich bräuchten.

Was hat das für Folgen?

Es gefährdet die Patienten. Es gibt internationale Studien, die zeigen, dass bestimmte Fälle vorkommen, je weniger Pflegekräfte es gibt. Wobei es nicht nur von der Anzahl der Pflege abhängt, sondern auch von ihrer Qualifikation. Wir bräuchten insbesondere ausgebildete Kräfte.

Ist diese Situation denn neu?

Das Wort Pflegenotstand habe ich schon vor 30 Jahren gehört. Im Zuge der Privatisierungswelle in den 2000ern ist es aber kontinuierlich schlimmer geworden. Gleichzeitig haben wir auch mehr Fälle in Krankenhäusern – und ein Grund dafür sind ökonomische Anreize. Die Zahl der Kaiserschnitte oder der Rückenoperationen hat sich deutlich erhöht, ohne dass es dafür medizinische Gründe gibt. Es wird am Fließband gearbeitet – irgendwann lohnt sich das auch wirtschaftlich.

Wie kam es zu diesem Wandel?

Früher galt das Kostendeckungsprinzip: Das Krankenhaus hat nicht mehr Geld gekriegt, als es ausgegeben hat. Das wurde aber umgestellt, sodass es jetzt für jede Leistung einen bestimmten Preis gibt. Wenn das Krankenhaus darunter bleibt, kann es Gewinne machen. Es kann aber auch Pleite gehen. Diese Umstellung hat zu einem Wettbewerb unter den Krankenhäusern eingeführt.

Was kann das Personal tun, um etwas zu verändern?

Nur Arbeitskämpfe können die Situation verbessern. Das Personal kämpft derzeit für einen Tarifvertrag. Politisch hat das „Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus“ vor, eine Volksentscheidung für die Einführung der Personalbemessung zu organisieren.

Diskussion „Die Kämpfe in den Kliniken“, 19 Uhr, Besenbinder-hof 62, Klub im DGB-Haus Hamburg

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