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heute in bremen„Ihre Lage nutzt der Konzern gnadenlos aus“

Foto: Logo: privat

Bahne Michels

30, ist seit 2018 beim Bremer „Bündnis gegen Zwangsräumungen“ engagiert.

Interview Lotta Drügemöller

taz: Herr Michels, Nebyat T. wurde aus ihrer Wohnung gekündigt, heute behandelt das Amtsgericht ihren Fall – warum hat sie denn ihre Nebenkosten nicht bezahlt?

Bahne Michels: Nebyat T. wohnt seit 2016 in ihrer Wohnung in Huchting. Der Wohnungskonzern Adler hat die Nebenkosten dort 2018 unzulässig erhöht, um 300 Prozent. Der Anwalt von Frau T. hat mehrfach Belege dazu bei Adler eingefordert – aber er hat bis heute keine Einsicht bekommen. Deshalb hat der Anwalt ihr geraten, die Erhöhungen nicht mitzutragen und die Nebenkosten nur in der alten Höhe zu zahlen.

Sind weitere Nachbar*innen betroffen?

Bei Mieterversammlungen haben wir mittlerweile viele weitere Mieter kennengelernt, der Konzern vermietet in Huchting mehrere Wohnblöcke. Auch andere haben über undurchsichtige Nebenkosten geklagt; es wird etwa für eine Treppenhausreinigung bezahlt, die dann gar nicht erfolgt. Außerdem gibt es diverse Probleme mit Feuchtigkeit und all den Folgen, die da dran hängen: Viele klagen über Schimmel und Ungeziefer. Die Mängelliste ist lang.

Über nicht richtig begründete Nebenkosten ist doch auch Vonovia schon vor Gericht gestolpert. Ist nicht mittlerweile juristisch geklärt, dass es einen Anspruch auf eine korrekte Abrechnung gibt?

Soli-Aktion vom „Bündnis Zwangs­räumungen verhindern“ zur Kündigungsklage gegen Nebyat T., ab 8.30 Uhr vor dem Amtsgericht Bremen

Eigentlich ist der Vermieter verpflichtet, die Einsicht zu gewähren. Aber er redet sich damit heraus, dass er die Anfragen auf Einsichtnahme nicht bekommen hat. Als Privatperson hätte man mit so einer Ausrede keine Chance. Der Anwalt ist deshalb schon dazu übergegangen, alles zu faxen.

Unter diesen Umständen wird doch das Gericht vermutlich erst einmal die Nebenkosten anzweifeln, bevor es eine Kündigung bestätigt – warum handelt Adler so?

Adler ist in Bremen ein kleines Licht, aber deutschlandweit der fünftgrößte Wohnungskonzern. Nach unseren Recherchen und einigen Artikeln, etwa in der Neuen Westfälischen, hat das Verhalten durchaus System. Der Konzern vermietet sehr herabgewirtschaftete Wohnungen und vermietet an Menschen, die wegen Hartz-IV oder fehlender Sprachkenntnisse keine anderen Wohnungen bekommen. Ihre Lage nutzt Adler dann gnadenlos aus und schaut, was bei den Nebenkosten noch an Gewinn rauszuholen ist. Sie spekulieren darauf, dass viele dieser Mie­te­r*in­nen sich nur schwer dagegen wehren können.

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