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heute in bremen„Der Umgang ist ganz feinfühlig“

Foto: Daniel Buchholz

Lars Gerhardt

48, ist Mitbegründer und Geschäftsführer des Vereins Inklusive WG Bremen e. V.

Interview Philipp Nöhr

taz: Herr Gerhardt, welche Idee steckt hinter einer inklusiven Wohngemeinschaft?

Lars Gerhardt: Uns geht es um selbstbestimmtes, altersgerechtes und cooles Wohnen in einer WG. Viele Menschen mit Behinderung möchten mit anderen jungen Leuten zusammenwohnen – so wie andere junge Menschen auch, die von zu Hause ausziehen. Aber oft wohnen junge Menschen mit Behinderung in einem Heim, wo nebenan zum Beispiel ein 50-Jähriger wohnt oder wo es nur um Unterstützungsbedarfe geht. In einer inklusiven WG wohnen auch junge Leute ohne Behinderung, und da geht es natürlich auch viel um die alltäglichen Dinge, die in einer typischen Studenten-WG ebenso anstehen.

Welche alltäglichen Dinge sind das ganz konkret?

Jeder Mitbewohner geht erst einmal seiner Beschäftigung nach – zum Beispiel in Werkstätten oder arbeiten auf dem ersten Arbeitsmarkt. Die Studenten sind tagsüber meist in der Uni. Ab dem Nachmittag hat dann immer ein sogenanntes „Tandem“ Dienst, mit jeweils einem Menschen mit und ohne Behinderung. Die kümmern sich dann um Einkäufe oder die Abendplanung. Es ist auch wichtig, dass immer jemand da ist in der WG – ähnlich wie in einer Familie. Das gilt vor allem für die Menschen mit höherem Unterstützungsbedarf. Die Leute ohne Behinderung kümmern sich oft um alltägliche Dinge, welche die Menschen mit Behinderung nicht immer auf dem Schirm haben: Ist der Wecker richtig gestellt? Wann fährt der Bus ab?

Das klingt nach einem gesunden Miteinander. Wie genau profitieren die Be­woh­ne­r*in­nen von der inklusiven WG?

Die Leute wohnen einfach gerne miteinander, fühlen sich wohl und schließen neue Freundschaften. Man lebt hier einfach Inklusion und setzt sich mit anderen Sichtweisen auseinander. Wir haben eine wirklich schöne Atmosphäre in der WG, der Umgang ist ganz feinfühlig. Da haben wir auch das Gefühl, dass da neue Freundschaften entstehen, die über die gemeinsame Wohnzeit hinausgehen. Wir wollen, dass alle Mitbewohner Erlebnisse mitten aus der Gesellschaft bekommen – ihr Leben lang.

Welche Voraussetzungen muss ich als Mit­be­woh­ne­r*in für eine inklusive WG mitbringen?

Man muss gerne mit anderen Menschen zusammenleben und sich einbringen wollen. Ob das passt, prüfen wir auch mit einem Probewohnen, für die Menschen mit und ohne Behinderung. Es ist auf jeden Fall nichts für Menschen, die einfach nur Miete sparen wollen. Man muss zueinander passen. Man sollte außerdem Deutsch sprechen, weil Fremdsprachen oft ausschließend sind für Menschen mit geistiger Behinderung. Für die Bewohner mit Behinderung beginnt der Prozess, dort einzuziehen, viel früher, das beginnt rund drei Jahre vor dem Einzug in Absprache mit Pädagogen.

Für wen ist die heutige Veranstaltung konkret interessant?

Vor allem für junge Bremerinnen und Bremer mit geistiger Behinderung, die in den nächsten zwei bis sechs Jahren von zu Hause ausziehen oder sich wohnlich verändern wollen. Die Veranstaltung ist aber auch für alle Eltern interessant, die sich einfach informieren wollen, welche Wohnformen es für Menschen mit Behinderung gibt. Und natürlich ist das auch für Studenten hochgradig interessant – in den WGs wird immer mal wieder ein Platz frei.

Info-Abend „Leben in einer inklusiven WG“, 18 Uhr, online, Anmeldung auf www.inklusive-wg-bremen.de

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