heute in bremen: „Mehr Bock auf Parolen und Bier“
Philipp Meinert, Jahrgang 1983, hat trotz Punksozialisation Sozialwissenschaften studiert und schreibt für das Plastic Bomb Fanzine. Sein Buch „Homopunk History“ erscheint im Ventil-Verlag.
Interview Jan-Paul Koopmann
taz: Herr Meinert, ist Punk eine homophobe Veranstaltung?
Philipp Meinert: Wenn ich das so pauschal beantworten könnte, wäre mein Buch wahrscheinlich nicht 400 Seiten dick. Punk in seinen vielen Verästelungen und Ausprägungen hatte immer Anknüpfungspunkte für Homophobie, aber auch die queere Kultur. Der New Yorker Pre-Punk war sehr offen und hatte mit Lou Reed, Andy Warhol und Jayne County, der ersten transsexuellen Rocksängerin, wichtige LGBTIQ*-Figuren in ihren Reihen. Am gleichen Ort war zehn Jahre später im Hardcore eher „Schwulenklatschen“ angesagt.
Wie sieht es heute aus?
Ich denke, heute wird Homophobie im Punk und Hardcore wieder stärker sanktioniert, zum Beispiel durch Tourabsagen wie jüngstens bei den U.S. Bombs, nachdem der Sänger sich eindeutig auf Instagram geäußert hat. Das hat aber weniger mit den Szenen selbst zu tun, sondern mit einer derzeit wieder größeren Akzeptanz von Homosexualität in der Gesellschaft und den technischen Möglichkeiten, darauf aufmerksam zu machen.
Punk hat in Mode und Musik diverse gesellschaftliche Normen gebrochen. Wo ist das Problem bei Homosexualität?
„Homopunk History“: Buchvorstellung und Diskussion, ab 19.30 Uhr im Fehrfeld
Sobald diese Normen gebrochen waren, war es auch schon wieder weitestgehend vorbei mit der innovativen Kraft von Punk. Spätestens ab 1978, mit seinem kommerziellen Durchbruch, hat der frustrierte und gelangweilte Teenager den Punk für sich entdeckt. Da waren dann nicht mehr die älteren Kunststudent*innen bestimmend, die im frühen Punk für die auch sexuelle Offenheit standen. Nun folgte die Normierung von Dresscodes, der Musik und auch Geschlechterrollen. Klar gab es auch offeneren Post-Punk, aber der Iro-und-Nieten-Punker hatte halt mehr Bock auf Parolen und Bier.
Also homophobe Prolls gegen sensible Punks von der Uni?
Homophobie würde ich den Straßenpunks pauschal nicht unterstellen. Beim wilden Pogo und der Straßenschlacht mit der Polizei war aber offenbar kein Platz für Gender-Experimente. Vielerorts war Homosexualität bis Mitte der Achtziger einfach kein Thema. Ich persönlich kritisiere diesen Punk-Flügel übrigens nicht und finde die einfache Wut und Aggression in der Punkmusik toll und viel interessanter als Sound-Experimente. Nur sonderlich queer war er eben nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen