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heute in bremen„Produkt Angela M.’“

Ausstellung Der Flüchtlingsrat dokumentiert ökonomische Abgründe der Flüchtlingsaufnahme

Marc Millies

43, ist Koordinator des Flüchtlingsrats Bremen.

taz: Herr Millies, seit letztem Sommer wurden dem Flüchtlingsrat einige unwiderstehliche Angebote gemacht – was war das Beste?

Marc Millies: Keines der Angebote war unwiderstehlich. Uns wurden zehn Quadratmeter große Selbstbauhütten als Flüchtlingsunterkünfte angeboten, mit dem Namen „Chalet“. Es gab „Rundum sorglos“-Pakete, wo die Frage war – für wen die Sorgen aufhören sollen. Ein Anbieter warb mit seiner Erfahrung als Hersteller von Pferdeboxen. Und wir bekamen ein Werbeangebot für einen Stuhl für Massenunterkünfte, mit der Produktbezeichnung „Angela M.“.

Ein ernstes Angebot?

Ja. Ein anderer Anbieter hat einen „Notschlafsack für Flüchtlinge“ versprochen: Angekommen ist ein zwei Quadratmeter großer Gaze-Streifen, den wir anfangs mit einem Moskitonetz verwechselt haben. Sowas ist zynisch und hat uns fassungslos gemacht. Seit Sommer 2015 kamen Hunderte solcher Werbeangebote bei uns an.

Sie haben zahlreiche dieser Angebote in einer Ausstellung präsentiert. Warum?

Es ist auch eine Art Rückblick auf alle Facetten der Flüchtlingsaufnahme geworden. Ob es um den Einsatz von Sicherheitsdiensten oder die Art und Qualität der Einrichtungsgegenstände geht: All das wurde immer mit dem Argument verkauft, es gehe um „das Wohl der Flüchtlinge“.

Was lässt Sie daran zweifeln?

Anders als die Solidarität, das ehrenamtlichem Engagement und die Spenden, die den Flüchtlingsrat erreichten, waren es kommerzielle Angebote. Wir stellen die Frage: Geht es darum zu helfen oder zu verdienen?

Was wäre so schlimm da, wenn es auch ums Verdienen geht?

Die Angebote warben damit, zu „helfen“. Sie versprachen „Lebensfreude“ und „Nachhaltigkeit“. Wir haben diesen Slogans Zitate von Menschen entgegengesetzt, die in den Großraumzelten und Containern leben und nachts nicht schlafen können. Die Angebote sind eine Zuspitzung der bestehenden Logik der Unterbringung. Man sieht die Industrialisierung der Flüchtlingsaufnahme, die wir seit Jahren kritisieren.

War keine gute Idee dabei?

Es gab Abstufungen: Ein Angebot über „kultursensibles Kantinenessen“, von Herstellern, die selbst eine Fluchterfahrung haben, ist etwas anderes als Werbung für „Asylantenheime“. Aber niemals ging es um ein selbstbestimmtes Leben, privates Wohnen oder eigenes Kochen der Flüchtlinge.

Interview: JPB

Ausstellung: Samstag 14–17 Uhr; 15 Uhr: Impulsvortrag von Ramona Fischer über die „Ökonomie der Flucht“; Flüchtlingsrat, St.-Jürgen-Straße 102

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