heute in Bremen: „Kann ich nicht sagen“
Nahost Deutsch-Palästinensische Gesellschaft zeigt Film zur Rolle der EU im Nahostkonflikt
Jahrgang 1967, arbeitet als Regisseurin, Autorin und Produzentin in Film & TV. Wurde dieses Jahr mit dem 19. Dokumentarfilm Förderpreis vom Filmbüro Bremen ausgezeichnet.
taz: Frau Dittus, was ist die zentrale These Ihres Films?
Sabrina Dittus: Die These steckt im englischen Titel des Films und lautet „Aid but no state“. Die Palästinenser bekommen finanzielle Hilfe, aber keinen Staat.
Und das heißt?
Zunächst bedeutet das, die Europäische Union ersetzt Politik durch Geld. Aber das ist nur vordergründig. Denn natürlich ist auch diese Strategie politisch: Damit hilft die EU, den Status quo im Nahostkonflikt zu erhalten.
Was ist damit gemeint?
Damit meine ich die Besatzung und deren Verhärtung, die täglich zu beobachten ist. Und die Verhältnisse werden immer schlechter. Im Westjordanland ist die Arbeitslosigkeit bei 17, im Gazastreifen sogar bei 43 Prozent. Ein Viertel der Bevölkerung lebt in Armut.
Woher kommen diese Zahlen?
Jede Zahl im Nahostkonflikt ist ein Politikum. Ich beziehe mich daher in meinem Film ausschließlich auf Organisationen, bei denen nicht der Verdacht aufkommen kann, dass diese pro-palästinensisch sind. Das gilt für alle Zahlen im Film.
Zum Beispiel?
Wir beziehen uns unter anderem auf Daten der Weltbank, beispielsweise in ihrem Bericht zu den immensen Einnahmen, die den Palästinensern jährlich aufgrund der israelischen Kontrolle über die Ressourcen in Area C verlorengehen.
Warum helfen die europäischen Hilfsgelder nicht?
Es findet keine politische Intervention statt: Es werden überwiegend Projekte finanziert, die mit der Besatzung nicht kollidieren. Zum Beispiel lässt Deutschland als größter Geldgeber im Wassersektor alte Leitungen austauschen und neue legen. Aber das hilft nicht, wenn das Wasser nicht maximiert wird. Dann sind die Leitungen zwar neu, aber auch leer.
Was ist denn schlecht an Hilfsgeldern?
Bis zu 60 Prozent der Hilfsgelder fließen laut UNCTAD in die Geberländer zurück und helfen nicht vor Ort. Außerdem führen sie zu einer Depolitisierung der Bevölkerung. Es gab in Palästina mal eine sehr starke Graswurzelbewegung, die aber – unter anderem – durch die sogenannte Hilfsindustrie zunehmend zerstört wurde. Die Geberländer spielten dabei eine große Rolle.
Wird auch die Hamas durch solche Zahlungen unterstützt?
Dazu kann ich nichts sagen.
Muss die EU mit der Hamas zusammenarbeiten, um den Konflikt zu lösen?
Die Hamas ist eine demokratisch gewählte Regierung.
Interview: Lukas Thöle
Film und Vortrag: 19 Uhr, Bürgerhaus Weserterrassen
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