heute in Bremen: „Gegen eine Wand“
Zukunft Ulrike Herrmann spricht über den Anfang, das Ende und Auswege im Kapitalismus
52, ist taz-Wirtschaftsredakteurin und Autorin. Ihr neuestes Buch: "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung".
taz: Frau Herrmann, wie hat der Kapitalismus angefangen?
Ulrike Herrmann: Zufällig. 1760 in England: In dem Moment, als Textilfabrikanten ihre Webstühle mechanisierten und Wasser- und Dampfkraft einsetzten.
Warum ist es heute noch wichtig, sich mit dem Anfang des Kapitalismus auseinanderzusetzen?
Der Kapitalismus war das erste System weltweit, das Wachstum und Wohlstand produzierte. Die entscheidende Frage ist, warum er in England und nicht anderswo entstand. Die Antwort: Damals waren die Löhne in England die höchsten der Welt. Weil also die Arbeitskraft der Menschen teuer war, hat es sich erstmals gelohnt, Maschinen einzusetzen. Das Prinzip gilt bis heute. Hohe Löhne treiben den Kapitalismus an und nicht niedrige.
Aber er führte doch wieder zu niedrigen Löhnen.
Im 19. Jahrhundert kam es zu einem Paradox: Die Wirtschaft wuchs, aber das Proletariat verarmte. Genau das hat Marx angeprangert. Rettung waren die Gewerkschaften, die ab 1870 zugelassen wurden. Danach stiegen die Reallöhne und der Kapitalismus hat sich noch einmal entscheidend verändert. Er wurde zu dem Konsumkapitalismus, den wir heute kennen.
Warum wird der Kapitalismus chaotisch und brutal zusammenbrechen?
Der Kapitalismus erzeugt und benötigt Wachstum. Aber in einer endlichen Welt kann man nicht unendlich wachsen. Es gibt zwei absolute Grenzen: Die Rohstoffe und die Umwelt werden knapp.
Ist das Zusammenbrechen des Kapitalismus nicht etwas Gutes?
Der Zusammenbruch ist jedenfalls unausweichlich. Die entscheidende Frage ist: Wie kann man den Zusammenbruch gestalten und wird das Ende des Kapitalismus friedlich sein? Eine Antwort fehlt bisher: Wir fahren gegen eine Wand, und niemand erforscht den Bremsweg.
Kann man den Bremsweg erforschen?
Es gibt 15.000 hauptamtliche Ökonomen in Deutschland und keiner erforscht das Ende des Kapitalismus. Es wird Zeit, dass sich das ändert.
Interview: gjo
„Vom Anfang und Ende des Kapitalismus“, 19.30 Uhr, Theater am Goetheplatz, Foyer
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