piwik no script img

heute in Bremen„Mich stört die Sorglosigkeit“

taz Salon Senioren-Lobbyistin Elsbeth Rütten trifft auf Kampfradler und Verkehrspolitiker

Elsbeth Rütten

67, ist Vorsitzende und Geschäftsführerin des Vereins „Ambulante Versorgungsbrücken“.

taz: Frau Rütten, die Veranstaltung heute heißt „Vorfahrt fürs Fahrrad“: Schließen Sie sich dieser Forderung an?

Elsbeth Rütten: Nicht ohne Wenn und Aber. Ich erlebe sehr oft, dass Leute vergessen, dass zur hohen Potenz des Fahrrads eine hohe Verantwortung gehört: Die Kraft und die Geschwindigkeit wachsen, das Verantwortungsgefühl nicht.

Die Leute fahren zu oft übern Gehweg?

Das ist doch nicht alles! Ich bin selbst auch immer gerne Fahrrad gefahren – früher. Aber mich stört die große Sorglosigkeit, die sich beobachten lässt. Das erschreckt mich auch: Dass 1.500 Menschen allein im vergangenen Jahr in Bremen mit dem Rad verunglückt sind, spricht doch deutlich dafür, dass die Risiken falsch eingeschätzt werden.

Deshalb fordern Sie die Kennzeichnungspflicht für FahrradfahrerInnen?

Ach, mir geht’s nicht um eine dusselige Blechplakette. Wenn die nicht mehrheitsfähig ist, muss man sich halt nach anderen Lösungen fürs Problem umsehen.

Welches Problem denn?

Das Problem ist: Es gibt große Wissenslücken, was das richtige Verhalten im Straßenverkehr angeht. Dadurch gefährden FahrradfahrerInnen sich selbst und andere. Wichtig ist mir, dass diese Lücken geschlossen werden, beispielsweise indem so etwas wie ein Fahrradführerschein eingeführt würde.

Den machen die Kinder doch in der Grundschule… !

Ja, genau, in der Grundschule: In dem Alter fahren die Kinder aber noch auf dem Gehweg. Die dürfen das, und das ist auch richtig so. Aber, wenn die Kinder immer auf dem Gehweg fahren, entwickeln sie keine Sehnsucht nach der Straße: Und wenn sie mit 14 Jahren nicht mehr auf dem Gehweg fahren dürfen, wissen sie nicht, wie es geht. Sie kennen nicht die Verkehrszeichen und sie können die Risiken nicht abschätzen. Das ließe sich durch Kurse verbessern.

Könnten das nicht mal die Eltern übernehmen?

Viele Eltern haben selbst Angst und trauen ihrer eigenen Autorität nicht. Von daher wäre es gut, wenn solche Schulungen von Verbänden wie dem ADFC oder auch dem ADAC, der mittlerweile ja auch Fahrradtrainings macht, übernommen würden.

Ist das Ganze ein Generationenkonflikt?

Das glaube ich nicht: Gestern früh bin ich mit jemandem auf dem Bürgersteig aneinander geraten, da war ich richtig erschrocken, der tauchte auf dem Bürgersteig plötzlich hinter mir auf, in der Humboldtstraße…

… der Fahrradstraße?

Ja, in der schönsten Fahrradstraße, die man sich nur vorstellen kann. „Was soll das denn, Sie…!“, habe ich dem hinterhergerufen. Ich habe den richtig beschimpft: Das war ein erwachsener Mann und sonst bestimmt ein verantwortungsvoller Angestellter. Aber auf dem Fahrrad setzt das Verantwortungsbewusstsein mitunter aus.

interview: bes

Beim taz Salon „Vorfahrt fürs Fahrrad“ diskutieren Kampfradler Bernhard Stoevesandt, Verkehrspolitiker Ralph Saxe (Grüne), Senioren-Lobbyistin Elsbeth Rütten und ADFC-Funktionär Rainer Hamann (SPD), es moderiert Simone Schnase: 19 Uhr im Lagerhaus

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen