gysi mal wieder: Das Kränzchen der Honoratioren
Gestern wurde mal wieder klar, warum Gregor Gysi trotz PDS-Parteibuchs zu den beliebtesten Politikern Deutschlands gehört: Man mag ihn für einen Schaumschläger, vielleicht gar Demagogen halten – originelle Sprüche und beachtenswerte Anregungen liefert er (fast) immer.
Kommentar von PHILIPP GESSLER
Machte er kürzlich mit der Idee Expertensenat von sich reden (ein Gedanke, den die CDU nun reanimierte), war Gysi jetzt wieder mit einem Vorschlag zur Stelle, der die Fantasie kitzelt: Eine „Hauptstadtkommission“ aus Elder statesmen und Vertretern gesellschaftlich relevanter Gruppen solle Aufgaben und Finanzierung der Hauptstadt öffentlich diskutieren und transparenter machen.
Nun ist angesichts der Not der Stadt jeder willkommen, der konstruktive Vorschläge für ein Ende der Misere macht. Aber ist eine solche Kommission sinnvoll? Einer Versammlung ehrenwerter Männer und Frauen zu lauschen, ist vielleicht ein Gewinn – aber ist für die Aufgabe, die Gysi diesem Gremium zugedacht hat, nicht vielmehr das Parlament der richtige Ort? Wenn es das Abgeordnetenhaus aber nicht (mehr) ist, wäre es da nicht angebracht, diese Volksvertretung zu stärken, anstatt ein demokratisch nicht legitimiertes Gremium zu schaffen? Entscheidungskompetenz dürfte das Gremium ohne eine demokratische Legitimation nicht beanspruchen und erhalten – wie aber ist dann zu verhindern, dass das Honoratiorenkränzchen eine bessere Quasselrunde wird, zu der das einst gelobte und dem Gysi-Vorschlag ähnliche Stadtforum verkommen ist? Nein, die Idee Gysis taugt bei näherer Betrachtung wenig. Dennoch gut, dass er sie gehabt hat.
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