gesittet trinken im sommer:
von KARL WEGMANN
Ach, ist das schön! Zweiunddreißig Grad, die Sonne knallt mächtig, wir sitzen in Konschos Garten und strecken ihr gierig unsere bleichen Gesichter entgegen. Ach, ist das schön! Das Gras ist grün, die Vögel stumm und die Ozonwerte akzeptabel.
Konscho ist gerade aus Griechenland zurück und erzählt lustige Geschichten von den verschiedenen Grenzen des einstigen Tito-Reichs. Er hat einen griechischen Pass, sein Sohn Philip aber einen deutschen. „Die Serben hassen die Deutschen“, erklärt Konscho, „mir haben die Grenztruppen fast den Arsch geküsst, aber dann musste ich für Philip alle möglichen Gebühren zahlen.“ Auf der Rückfahrt hat er seinen Wagen wieder bis unters Dach mit Olivenöl und Wein voll gepackt. Probleme mit dem Zoll? „Ach was“, lacht er, „du braucht nur genügend amerikanische Zigaretten, das hat sich überhaupt nicht geändert.“
Dann legt Willy die neue Prefab Sprout auf, und während Paddy McAloon behauptet, „Love is a gunman and he’s coming to town“, steigt die Sonne höher und der griechische Wein tut seine Wirkung. Hermann wird ein bisschen albern und will Reklame-Raten spielen. Er legt auch gleich los, zerstrubbelt sich die Haare, fängt an zu zittern, bekommt einen irren Blick, kratzt sich am ganzen Körper. „Was ist das?“, fragt er dann. „Delirium tremens“, sage ich. „Klar, aber was für ein Produkt?“ Köpfeschütteln reihum. „Schöfferhofer Weizen – prickelt länger, als man trinkt!“
Die Stimmung steigt weiter. Konscho bringt die leeren Gläser zum Weinkanister, um nachzufüllen. Jetzt diskutieren wir über die Qualität von Weizenbier. Das mit dem Prickeln im Bauchnabel schneidelt ganz schlecht ab, weil viel zu süß. Bioweizen von Pinkus Müller kriegt hingegen die volle Punktzahl mit drei Sternchen. Bernhard berichtet von einem gruseligen Erlebnis im „Krokodil“. „Ich sitz da also gemütlich am Tresen und Udo quatscht mich mit seinen neuen Beziehungsproblemen voll. Da höre ich plötzlich, wie links neben mir einer einen ‚White Russian‘ bestellt. Direkt vor mit fängt der so genannte Barkeeper an zu mixen: Wodka und Kahlua und dann – jetzt kommt’s – füllt er das Ganze mit H-Milch auf. Ich ruf ihm noch zu: Aber da muss Sahne rein! Er guckt mich an und grummelt: Kommt doch noch. Dann holt er ’ne Sprühdose und setzt dem Mix ein Chemie-Sahnehäubchen auf.“ – „Ist ja widerlich“, ich bin schockiert, „und der Typ hat das getrunken?“ – „Na klar“, sagt Bernd, „der war ganz scharf drauf.“
Wein und Schweiß fließen weiter, und wir beklagen den rapiden Verfall der Trinksitten. Hermann ist schon etwas hinüber und lallt: „Wie viel is’n noch drin in dem ollen Kanister?“ – „Ungefähr noch zehn, zwölf Liter“, antwortet Konscho, „aber keine Angst, ich hab noch vier von den Dingern in der Garage stehen.“ Wir heben unsere Gläser auf Konschos Schwester Maria – und auf ihren Weinberg natürlich. Und während uns Lucinda Williams etwas über „Lonely Girls“ vorjammert, beginnt die Sonne ganz langsam abwärts zu wandern. Der Kanister leert sich, die Gesichter röten sich, und im Hintergrund lauert Freund Hautkrebs und rechnet sich gute Chancen aus.
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