geht’s noch?: Patriotische Glückseligkeit
Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer sagt, sie bekommt Gänsehaut bei Fahne, Nationalhymne und aufmarschierenden Soldaten. Doch leider nicht vor Ekel
Es heißt immer wieder, alle Gefühle hätten ihre Berechtigung. Doch es gibt sie, die falschen Gefühle zur falschen Zeit. Etwa bei der frisch vereidigten Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, die mega Bock auf ihre anstehende Zusammenarbeit mit der Bundeswehr zu haben scheint. Anfang der Woche schwärmte sie in einem Interview mit der FAZ: „Die Fahne, die Nationalhymne, die aufmarschierten Soldaten, da bekomme ich eine Gänsehaut.“ Weird flex but ok.
Mit Hinsicht auf das rechte „Hannibal“-Netzwerk oder nazimäßig anmutende Anwerbeplakate, aber auch aufgrund grundsätzlicher Strukturen des Mobbings und der toxischen Maskulinität in der Bundeswehr, stellen sich sicher bei sehr vielen Leuten beim Gedanken an ein solches Szenario ebenfalls die Armhaare auf. Nur triggert Ekel bei ihnen diesen körperlichen Zustand und nicht, wie bei Kramp-Karrenbauer, die patriotische Glückseligkeit.
Für sie sind Soldat_innen nicht potenzielle Gefährder_innen, sondern eher Held_innen, bewaffnete Engel für Deutschland sozusagen.
Trotz Verbindungen zwischen rechtsextremen militanten Strukturen und der deutschen Bundeswehr, will Kramp-Karrenbauer von einem Generalverdacht gegen Soldat_innen nichts wissen. „Wenn Männer und Frauen bereit sind, für dieses Land solche Gefahren auf sich zu nehmen, dann haben sie unser Vertrauen und unsere Unterstützung verdient“, sagt sie im Interview.
Bei ihrer Vereidigungsrede am Mittwoch kristallisiert sich heraus, dass dieses Vertrauen auf Kosten der Vernunft geht. Für Neonazis sei in der Bundeswehr kein Platz, sagt sie, doch was sie gegen die bereits etablierten und ausgebildeten Rechtsextremen in KSK und Co. unternehmen will, dazu hat sie nichts zu sagen.
Bis konkrete Maßnahmen ersichtlich werden, werden ihre Abgrenzungen von rechtsextremen Soldat_innen, aber auch von der AfD, ein bloßes Lippenbekenntnis bleiben. Stattdessen stärkt sie das Image der Soldat_innen und will gern mehr Geld für eine bessere Ausrüstung lockermachen, wie sie in ihrer Rede ankündigt.
Warum bittet sie eigentlich nicht gleich in der „Nordkreuz“-Telegramm-Gruppe um einen PayPal-Link oder fragt die Terrorist_innen persönlich, welche Waffen sie ihnen auf Rechnung der Steuerzahler_innen einkaufen soll? Staatlich bezahlter Terror? Wenn man bedenkt, dass V-Männer im Umfeld des NSU verdächtig mitmischten, muss man sich das ernsthaft fragen.
Hengameh Yaghoobifarah
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