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gastbeitrag0:3 gegen Bremen

Der Kampf um den Ausbau der Schwachhauser Heerstraße ist in eine neue Phase getreten: Eine erste Klage gegen das Planfeststellungsverfahren wurde jetzt vom Oberverwaltungsgericht abgewiesen (taz vom 9.10.). An dieser Stelle argumentiert ein Vertreter der Bürgerinitiative „Keine Stadtautobahn durch Bremen“, warum die Gegner des Ausbaus – die inzwischen mehr als 4.000 Unterschriften für ihr Anliegen gesammelt haben –, warum sie schlussendlich dennoch gewinnen müssen.

Aus dem 0:1 gegen Schwachhausen wird ein 0:3 gegen Bremen, wenn die nun vom Oberverwaltungsgericht (OVG) abgesegnete Verlängerung der Stadtautobahn Kurfürstenallee bis zur Hollerallee schließlich in zwei weiteren Bauabschnitten durch den Concordia-Tunnel fortgesetzt und über den Rembertiring auf die Stadtautobahn Breitenweg geführt wird: Zerstörung und Verslummung innerstädtischen Wohnraums durch mehr Verkehr, insbesondere durch Schwerlastverkehr werden die Folgen sein. Dem OVG wurde von Gutachtern vorgetragen, das bisschen Verkehrszunahme werde schon keine Probleme bereiten: Die Autos würden zwar immer mehr, aber immer leiser, auch die Abgase würden immer besser entgiftet und die Erschütterungen durch Schwerlastverkehr könnten vernachlässigt werden. Überhaupt sei der Schwerlastverkehr auf dieser Strecke marginal, auch wenn dieser in Zukunft noch weiter ansteige. In der OVG-Verhandlung wurde die Zahlenangabe 200 Lkw pro Tag auf der Schwachhauser Heerstraße genannt, die auch in den o.a. Artikel eingeflossen ist.

Immerhin 900 Laster pro Tag

Da diese falsche Angabe leider unwidersprochen blieb, möge sie zumindest hier korrigiert werden: Lt. Erläuterungsbericht zur Planfeststellung (S.13) und lt. Schallgutachten (Seite 8) wurden schon 1996 täglich 33.476 Kfz auf der Schwachhauser Heerstraße gezählt, davon 1.453 Lkw+Bus/24 h = 4,3 Prozent. Wegen der – seit Einsatz der Straßenbahnlinie 4 – eingesparten Busse (30er Linien) hat sich der maßgebende Lkw-Anteil im Tagesmittel auf derzeit 3,0 Prozent verringert, was aber bei nur 30.000 Kfz/Tag immerhin 900 Lkw pro Tag ergibt. Ohne Weiterführung der Trasse und ohne Ausbau des Concordia-Tunnels würde es vielleicht bei dieser – wohl kaum marginal zu nennenden – Belastung bleiben, aber nach den beabsichtigten Umbaumaßnahmen werden lt. Planungsunterlagen für das Jahr 2015 über 38.000 Kfz/24 h prognostiziert, davon 4,5 Prozent Lkw, d.h. rd. 1.710 Lkw täglich, 71 pro Stunde, d.h. durchschnittlich also alle 50 Sekunden ein Lkw.

Die Bremer werden abwandern

Bei diesen Prognosen bleibt offen, ob die neuerdings angekündigte und bis 2010 zu erwartende Fertigstellung des Autobahnrings um Bremen durch die A 281 dann tatsächlich eine entlastende Wirkung haben wird. Das Gegenteil dürfte eintreten, wenn die schon jetzt von vielen Lkw benutzte innerstädtische Querverbindung zwischen A 27 (Abfahrt Vahr) demnächst noch mehr als 3. Weg vom/zum Hafen/Großmarkt und von/zur A 281 (Abfahrt Güterverkehrszentrum, GVZ) mit autobahnähnlichem Ausbaustandard zur Verfügung steht. Sie ist als Fahrtroute des Lkw-Führungsnetzes in Bremen empfohlen, weshalb auch deren Ausbau vom Abschnitt Kurfürstenallee - Bismarckstraße - Rembertiring in Richtung Häfen als „dringend erforderlich“ gilt. Während viele Städte im In- und Ausland den Lkw-Verkehr ab einer bestimmten Tonnage und Länge entweder ganz aussperren oder zumindest für nachts Durchfahrtverbot erteilen, lädt Bremens auch für Umweltschutz zuständige Senatorin immer noch mit einer „Lkw-Führungsnetz-Karte für ausländische Lkw-Fahrer und Disponenten“ in vier Sprachen zur Nutzung eben dieses Verkehrsweges mitten durch die Stadt ein.

Bekanntlich ist das wichtigste Navigationskriterium für Lkw- Fahrer der schnellste Weg. Wenn neben der Autobahnumfahrung ein weiterer schneller Weg quer durch Bremen offen ist, dürfte sich auch die in Bremen ansässige Lkw-Lobby für dieses großzügige Angebot sicher bedanken oder gar erkenntlich zeigen. Die umwohnende Bevölkerung der künftigen Stadtautobahn wird dies gewiss ebenfalls tun, aber auf ihre Art: Durch Abwanderung ins Umland, falls der weitere verkehrspolitisch anachronistische Ausbau nicht verhindert wird.

Günter Knebel, BI „Keine Stadtautobahn durch Bremen“

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