funkloch: Dumm auf der Couch
Die Loewe Opta GmbH hat eine Vision. Für Vorruheständler, Heimarbeiter, faule Arbeitslose, Schulkinder, Studenten, für Hausfrauen, Rentner, Kranke und Drückeberger, für alle, die sich ein bewegtes Leben ohne viel Bewegung wünschen. Und für alle, die meinen, dass Menschen am wenigsten Probleme bereiten, wenn sie vor dem Bildschirm verdummen. „Das intelligente Zuhause“ ist kein politisches Projekt, aber ein Prestigeprojekt auf der IFA mit politischer Dimension. Wäre es nicht wahnsinnig praktisch, wenn sich keiner mehr um seine Mitmenschen kümmern muss, weil alle den Kanal voll haben? Wie unkompliziert wäre die Welt, wenn ganz Deutschland vor einem dieser extragroßen Plasmabildschirme hocken und sein Leben mit der Fernbedienung regeln würde.
„Stellen Sie sich vor“, säuselt das hübsche Barbie-Püppchen auswendig auf ihrer Showbühne, „Sie sitzen gemütlich vor dem Fernseher und dann klingelt das Telefon.“ Nein, denke ich sofort, ich will auf gar keinen Fall den Werbespot für die nächste Generation des alphaTel 5000 mit Infrarot-Steuerungsfunktion in Silber verpassen. „Kein Problem“, beruhigt mich Barbie, denn intelligent wie der Loewe-Fernseher ist, zeigt er an, wer anruft (Ralf, schon wieder Ralf!), und ich allein entscheide mit meiner Fernbedienung, ob ich Ralf wegdrücken, auf den AB stellen oder gar mit ihm telefonieren will. „Das machen wir aber mal lieber nicht, wir schauen schließlich gerade fern“, ermahnt die Säuselstimme.
Selbst penetrante Freunde, die gleich an der Haustür klingeln, weil per Telefon kein Durchkommen mehr ist, kann ich per Fernbedienung draußen stehen lassen. Die Strategie ist simpel, aber logisch durchdacht. Der Fernseher ist das perfekte Medium, um direkte Kommunikation zwischen Menschen zu verhindern und damit alle Missverständnisse, Streitigkeiten, und Anstrengungen endgültig zu beenden. Eine historische Tat.
Nun gibt es auf der IFA auch Menschen, deren erste Worte im Leben nicht „Fernseher“ oder „Programmvielfalt“ waren. Für Sie soll die Fernbedienung Rolläden hoch- und runterfahren, Brötchen aufbacken, Rechnungen bezahlen, Fenster öffnen, Wasser ins Bad einlassen und das Licht ausschalten. Wie das genau funktioniert, weiß bei Loewe allerdings niemand. Für die Entwicklung ist eine andere Firma zuständig, und von den Experten ist keiner aufzufinden.
Das erinnert an alltägliche Erfahrungen bei der Reparatur kaputter Technikgeräte. Und wir haben eine Vision. Allein zu Hause versagt die Fernbedienung, das Türschloss rastet ein, die Wasserversorgung bricht ab, das Telefon verweigert ein Gespräch, und keiner kann helfen. Echt dumm.
ARMIN BEBER
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