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funklochratata ratata . . . peng!

Für Jugendliche ist die Funkausstellung zunächst uninteressant. Wer pro Woche 15 Mark Taschengeld bekommt, empfindet eine Videokamera für 8.999 Mark als befremdlich. Schließlich müsste er dafür 13 Jahre sparen. Und wieso leuchten Vatis Augen beim Betatschen des Luxusteils so komisch? Egal, am besten den Alten bei einer dieser Hostessen abgeben und erst mal die Gegend abchecken. Ein Besuch in Halle 1.1 ist Pflicht: „Gamecity“.

So heißt das Paradies für kleine Spieler, in dem hemmungslos herumgedaddelt werden darf. An der ersten Netzwerkbasis können 20 Teilnehmer ihre Fernlenkrambos durch die blutige Kulisse eines Ballerspiels lenken. Hohe Konzentration und stille Mordlust hocken vor flimmernden Bildschirmwelten. Ratatata . . . tot. Und vom Nebenmann gibt’s einen freundschaftlichen Schulterklopfer. Man hat ihn gerade umgebracht.

„Schießt einfach auf alles“, empfiehlt eine unkontrolliert zuckende Moderatorin den Computerkids an den Spielplätzen nebenan. Dort exekutieren Kinder per Knopfdruck die unvermeidlichen Mohrhühner. Vatis stehen unschlüssig im Hintergrund und schauen beim Killen zu. Nach Spielende jubelt die Moderatorin: „Es wurde jede Menge geschossen.“ Und fügt noch hinzu: „Auch wenn ich schießen jetzt nicht gutheißen möchte.“ Stephan hat die meisten Hühner erlegt und erhält als Siegprämie ein Ballerspiel für den Heimcomputer.

Für sensible Daddelkinder, die Gewalt ablehnen und gebügelte Hemden tragen, bietet Sega ein tolles Spiel: 1.500-Meter-Lauf. Hier motiviert man ein Männchen durch Knopfdruck, minutenlang einsame Runden auf der Laufbahn zu ziehen. Der Andrang hält sich in Grenzen, genauso wie beim Stand von „Spielzeug für behinderte Kinder“. Zwischen den Blumenkästen sitzt ein Herr mit schiefem Kreuz und liest schläfrig die Zeitung.

Manchmal schreckt er zusammen, wenn von gegenüber diese schreckliche Musik rüberdröhnt. Techno. Kleine Jungs basteln sich an hippen Computern die eigene Tanzmusik. Nebenan scratchen andere auf Grammofonen der neuesten Generation herum. MC Vormacher steht auf einer kleine Bühne und drückt gelegentlich auf bunte Knöpfchen. Ist das HipHop?

Unklar bleibt auch, was die „Gamecity“ an technischen Neuheiten bietet. Weder die mit Autogrammen verzierten Hertha-BSC-Trikots, die am Stand vom Online-Auktionshaus versteigert werden, noch die staubigen „Fahren leicht gemacht“-Broschüren, mit denen der Verkehrsverbund Berlin Brandenburg wirbt, wirken sonderlich innovativ. Auch der merkwürdige Casting-Stand hinterlässt Fragezeichen. „Baby für C&A-Werbung gesucht“, steht auf einem Aushang.

CHRISTIAN TERIETE

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