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 ■ Tragende Konstruktion Im Filmmuseum Potsdam hat man die Brücke als entscheidenden Schauplatz von Kinoerzählungen ausgemacht und in Ergänzung einer Potsdamer Ausstellung eine Brücken-Filmreihe konzipiert. Nicht fehlen darf dabei natürlich Bernhard Wickis schlicht „Die Brücke“ betitelter Antikriegsklassiker aus dem Jahr 1959, in dem sieben Oberschüler in den letzten Kriegstagen nach kurzer militärischer Ausbildung abkommandiert werden, eine kleine unwichtige Brücke gegen die Alliierten zu verteidigen. Dabei wandelt sich die ursprüngliche Begeisterung der Jungen in blankes Entsetzen - sowohl über den Tod der eigenen Kameraden als auch über die Erfahrung des Tötens und des Sterbens der Gegner. Es ist vor allem Wickis quälender Realismus, der in Verbindung mit der absoluten Sinnlosigkeit dieser Kämpfe besonderen Eindruck hinterlässt.Ganz andere Dinge erlebt hingegen der Messerwerfer Gabor (Daniel Auteuil) in Patrice Lecontes Melodram „Die Frau auf der Brücke“: Er sucht sich eine schöne Lebensmüde, die sich von besagtem Bauwerk in die Tiefe stürzen will und überredet sie, seine Partnerin in einem Varietéakt zu werden. Damit es nicht so schlimm ist, falls er mal daneben wirft. Die turbulente Beziehung zum jüngsten Opfer (Vanessa Paradis) seiner Überredungskünste führt ihn am Ende jedoch selbst auf die Brücke... Schwarzweiß, sehr traurig, manchmal auch enorm komisch - und sehr schön. Um die Poesie der kleinen Dinge ging es Helmut Käutner in seinem Film „Unter den Brücken“, den der Regisseur inmitten des Chaos der letzten Kriegsmonate schuf. Zwei Binnenschiffer fahren mit ihrem Kahn die Havel hinauf und entdecken ein Mädchen, das einen Zehnmarkschein von einer Brücke wirft - das kleine Geheimnis wird zum Ausgangspunkt einer hübschen Liebes- und Freundschaftsgeschichte, die in ihrer melancholischen Stimmung an den poetischen Realismus des französischen Vorkriegskinos erinnert.

„Die Brücke“ 6.5.; „Die Frau auf der Brücke“ 7.5.-9.5.; „Unter den Brükken“ 4.5. im Filmmuseum Potsdam

■ Nach jahrelangen Querelen eröffnet das Filmkunsthaus Babylon endlich wieder den restaurierten großen Kinosaal - und zwar mit der Retrospektive eines Filmkünstlers, der es auch nicht leicht hatte. Für Orson Welles begann bereits mit seinem zweiten Film eine endlose Pechsträhne: „The Magnificent Ambersons“ (1941), ein um die Jahrhundertwende spielendes Familiendrama, das die Erfolgsgeschichte eines modernen, rührigen Erfinders mit dem gesellschaftlichen Abstieg der stockkonservativen Familie Amberson kontrastiert, wurde nach katastrophal verlaufenen Previews vom Studio stark gekürzt, umgeschnitten und mit einem albernen Happy-End versehen. Auch Welles´ Versuche, in späteren Jahren Filme in Europa zu produzieren, litten immer wieder an Geldmangel: Zu der über mehrere Jahre hinweg in Italien und Tunesien gedrehten Shakespeare-Adaption „Othello“ (1949/1952) ist die Anekdote überliefert, dass Welles sich des Nachts das Equipment der Hollywood-Produktion „The Black Rose“ „auslieh“, um damit Szenen für seinen Film zu drehen.

„Othello“, „Filming Othello“ 4.5.; „The Magnificent Ambersons“ 5.5. im Filmkunsthaus Babylon (Großer Saal)

■ Der Klassiker und sein Gegenstück: Während John Fords „She Wore a Yellow Ribbon“ mit einer gewissen Melancholie und in schönstem Technicolor die letzten Abenteuer von Kavallerie-Captain Nathan Brittles (John Wayne) vor seiner Pensionierung verfolgt, versucht der Revolverheld (Sterling Hayden) in Nicholas Rays „Johnny Guitar“, seine Finger vom Colt zu lassen, derweil sich die Frauen mit allen Mitteln duellieren. Aber auch das besitzt in den seltsamen Farben von Trucolor nahezu lyrische Qualitäten.

„She Wore a Yellow Ribbon“ (OF) 5.5.; ,Johnny Guitar“ (OF) 8.5. im Arsenal 2

Lars Penning

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