filmscript: Filter
Seit mehreren Jahrzehnten dominieren hierzulande zwei unter kirchlicher Ägide stehende Fachblätter die Filmpublizistik: der katholische, alle zwei Wochen erscheinende film-dienst in Köln sowie die vom Evangelischen Pressedienst in Frankfurt am Main herausgegebene Monatsschrift epd Film. Immer wieder hat es Versuche gegeben, daneben eine „dritte Kraft“ zu etablieren. Am weitesten kam damit wohl Enno Patalas mit seiner zwischen 1957 und 1970 verlegten Filmkritik.
Neben Blättern wie Schnitt oder Filmforum steht heute vor allem der Filter in dieser Tradition einer journalistischen Perspektivverlagerung. Ein Jahr nach Gründung scheint jedenfalls der Enthusiasmus seiner Herausgeber ungebrochen. Wobei sich die Struktur nicht wesentlich von der tradierter Zeitschriften unterscheidet: Kritiken, Interviews, Themenschwerpunkte sowie Buch- und Musik-Rezensionen. Die wohltuenden Differenzen tun sich jedoch schnell auf – und zwar durch den Gestus des Geschriebenen. Assoziative Texte mit zahlreichen kulturgeschichtlichen Verweisen stehen neben auf den ersten Blick peripheren Themen oder Gesprächen mit vermeintlichen Randfiguren der Branche.
Chefredakteur Andreas Hahn formuliert es programmatisch: „Das Feuilleton hat selten ein Problem, aber immer ein Urteil. Die Kritik, die selbstverständliche Urteile fällen will, müsste zuerst einmal von den Überzeugungen überzeugen, die ihren Urteilen zugrunde liegen. Der wie auch immer geartete Geschmack des ambitionierten Kleinbürgers X interessiert einen Scheißdreck. Wer hat überhaupt diese Entmündigung nötig, einen Geschmack, eine Meinung mitgeteilt zu bekommen?“ (aus: „Die feindlichen Heere“, Filter, Nr. 5) Einen Satz Arnolt Bronnens aufgreifend, fordert Hahn, man müsse sich Hollywood wie ein Spion dem feindlichen Heer nähern.
Momentan befindet sich der Filter in einer Orientierungsphase – seine essayistischen Leuchttürme befinden sich jedoch unübersehbar im westlichen Nachbarland. Es wimmelt von Barthes-, Foucault-, Deleuze- oder Bourdieu-Zitaten. Von einigen Konzepten musste man sich bereits trennen. So hat sich der anfängliche Untertitel „Popmagazin für Popkultur“ in das schlichtere „Filmmagazin“ gewandelt. Und mit der Auflagenerhöhung auf über 5.000 und der daran gekoppelten bundesweiten Kioskbestückung musste auch der regionale Aktualitätsanspruch gekündigt werden. Ursprünglich war das Blatt nämlich auch als Podium für die Basisarbeit Berliner Programmkinos geplant.
CLAUS LÖSER
„Filter“ Nr. 7 erscheint dieser Tage (Schwerpunkt: Krieg). Eine erweiterte Online-Ausgabe findet sich unter http://www.filternetz.de.
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