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eskalation in nahostDrei Zutaten des Krieges

Es ist abzusehen: Israels Ministerpräsident Ariel Scharon ordnet harte militärische Vergeltungsschläge an. Dem gestrigen Selbstmordattentat in Jerusalem folgen Bomben und Raketen auf Einrichtungen der palästinensischen Autonomiebehörde, die besetzten Gebiete werden noch strikter abgeriegelt, und Israels Armee besetzt erneut Teile der autonomen Gebiete im Gazastreifen und Westjordanland. Zu den Opfern in Jerusalem kommen Opfer unter den Palästinensern hinzu.

Kommentarvon WOLFGANG GAST

Anderes ist nicht in Sicht. Premier Scharon hat in dieser Woche seinen Außenminister Schimon Peres zurückgepfiffen, weil der trotz der Eskalationen mit den Palästinensern verhandeln und so den Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt durchbrechen wollte. Jetzt, nach dem Attentat, sind solche Verhandlungen erst recht in weite Ferne gerückt. Stattdessen werden israelische Vergeltungsschläge neue Attentate militanter Palästinenser provozieren, die wiederum Vergeltungsschläge der Israelis nach sich ziehen. Vor allem: Die Spirale der Gewalt radikalisiert beide Gesellschaften, die israelische wie die palästinensische.

Im jüdischen Staat lebt der latente Hass auf die Araber wieder auf. Von der Angst vor weiteren Anschlägen zermürbt, kann sich eine Mehrheit der Israelis inzwischen vorstellen, die Palästinenser einfach zum Teufel zu jagen. Und unter den Palästinensern – vom Besatzungsregime erdrückt und vom Osloer Friedensprozess zutiefst enttäuscht – wird Terror wieder als legitimes Mittel der Notwehr angesehen und das Existenzrecht des Staates Israel in Frage gestellt. Die Lage, schreibt der Publizist Tom Segev, ist sehr explosiv, sehr unsicher, sehr emotionsgeladen – drei Zutaten des Krieges.

Israels Regierung trägt dazu kräftig bei. Auf der einen Seite fordert sie den Präsidenten der Palästinenser ultimativ auf, den Terror bedingungslos zu beenden. Auf der anderen Seite zerstört sie aber dessen Autorität mit ihrer repressiven Besatzungspolitik und der gezielten Erschießung angeblicher Hintermänner der Anschläge. Mit jedem Attentat gegen palästinensische Funktionäre wird der Einfluss der radikalen Gruppen nur größer. Arafat hat angekündigt, nun auch die radikalislamischen Organisationen Dschihad und Hamas an seiner Regierung zu beteiligen – dies zeigt, wie eingeschränkt handlungsfähig die palästinensische Autonomiebehörde mittlerweile ist. Diese Entwicklung kann nicht im Interesse Israels sein, Scharon hat sie dennoch gefördert.

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