eject: ELMAR KOK über einen erfolgsradebrechenden Vogel
Reden im Glücksquadrat
Ingo Vogel ist ein glücklicher Mensch. Er hat über sein Glück sogar ein Buch geschrieben. Da Ingo Vogel aber viel lieber redet als schreibt, heißt sein Buch „So reden Sie sich an die Spitze – Sprache als Erfolgsinstrument“. Am allerallerliebsten hört Ingo Vogel sich aber über sein neues Buch, selbst reden.
Der Rhetoriktrainer, hochgeschätzt von Wirtschaftswoche, Cosmopolitan, Frau im Spiegel und Stuttgarter Nachrichten („Nie mehr sprachlos dank dem Glücksquadrat“), will die ganze Auflage des Buches aber nicht selbst kaufen. Deshalb darf man ihm beim Reden mit seinem Erfolgsinstrument über selbiges zuhören. Und so lud Vogels Agentin unlängst zum Schwatz in der Lobby des Hotels Esplanade zu Berlin.
Leider hatte sich ein ebenfalls geladener „Kollege“ erfolgreich herausgeredet, sodass jetzt ichallein in der Lobby des Hotels mit Herrn Vogel verabredet bin. Der hat sein Buch nicht nur geschrieben, sondern auch gelesen, deshalb tritt er mir mit einem festen höflichen Blickkontakt entgegen, der „zeigt Ihrem Gegenüber, dass Sie eine starke und glaubwürdige Persönlichkeit sind“ (S. 63).
Ich nicke freundlich, wir setzen uns und Ingo Vogel redet. Davon, wie er früher schlimm gestottert habe und seine Mutter mit ihm immer das Reden übte, obwohl Ärzte sagten, er sei ein hoffnungsloser Fall. Damals habe er erkannt, dass Sprache das Tor zur Welt sei, deshalb wolle er nun seinen Kunden helfen, besser zu reden. „Wenn Ihnen ein unangenehmes Gespräch bevorsteht, denken Sie an etwas Positiveres, Schönes“, fällt mir Vogels Buch wieder ein. Die Bank hat meinen Dispo erhöht, denke ich, vielleicht kann ich gleich ganz schnell mit dem Taxi nach Hause fahren.
Doch Ingo Vogel ist gerade erst dabei, die Welt zu verbessern. Deshalb dürfen Arbeitslose schon mal ermäßigt an seinen Wochenendseminaren teilnehmen, die regulär 1250 Euro kosten. Ich frage höflich lächelnd, aber bestimmt, ob ich eine Zigarette rauchen dürfe. „Na klar“, sagt Vogel, überhaupt sei die Diskriminierung der Raucher heutzutage ein Unding – und fingert eine Schachtel Marlboro Ultra aus der Jacke. Stimmt, denke ich, und „im Angleichen an den Gesprächspartner liegt die Basis der Harmonie und die Chance zur Führung“ (S. 38). Nach drei Stunden in den Fängen des Erfinders des Glücksquadrats (Denken, Fühlen, Verhalten, Erleben, S.53) werde ich endlich entlassen. Die Qualität der Nachbetreuung unterscheide ihn deutlich von anderen Trainern, sagt Ingo Vogel. Deshalb trifft er sich am Abend noch mit ehemaligen, dankbaren Seminarteilnehmern zum Buffet. Vielleicht gibt es dort ja einen Glückskeks mit der Weisheit „Reden ist Silber . . .“ – ach, zwecklos.
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