eiszeit: Eisschnellläufer Frank Dittrich beklagt den Status quo
Warum grau nicht bunt ist
„Ist ja wieder ein Superbesuch in der Halle.“ Man muss schon genau hinhören bei Frank Dittrich, um die Ironie aus seinen Sätzen zu filtern. Der Chemnitzer (32) spricht gerade heraus, ruhig und bestimmt. Auf sarkastische Schnörkel verzichtet er eigentlich. Also war das nun ernst gemeint? Der Blick ins Oval der Eisschnelllaufhalle in Berlin liefert schnell die Antwort. Wenige verlieren sich auf den Zuschauerrängen. Dittrich sagt: „Eisschnelllauf muss einfach anders rüberkommen. In Berlin sieht die Sache ja wieder ziemlich grau aus.“ Selbst im Umfeld der Eisbahn konnte Dittrich keine Werbung für den ersten Weltcup der Saison ausmachen, wodurch in ihm die Erkenntnis reift, dass nicht jene Leute an den Schalthebeln säßen, „die sich auskennen“.
Frank Dittrich ist der erfolgreichste Eisschnellläufer der vergangenen Jahre in Deutschland. Er hält die deutschen Rekorde über fünf Kilometer (6:25,78 Minuten) und zehn (13:27,93). Am Sonntag wurde der Sachse beim Weltcup über 5.000 Meter in 6:37,09 Minuten Sechster und glitt über elf Sekunden später über den Zielstrich als der Sieger Gianni Romme aus Holland. Dittrich hat hier zu Lande eine doppelt schwere Bürde zu tragen: als Mann und Langstreckler. „In anderen Ländern gibt’s Männereisschnelllauf“, erklärt er, „und dann lange nichts, hier ist es genau andersrum.“ Das läge nicht daran, dass die Frauen versuchten, die Kollegen „wegzudrücken“, das sei eine Frage der Vermarktung, wie man aus dem „Grau der relativen Randsportart“ herauskomme. Die Läuferinnen dürfen öfter dahin, wo die satten kribbelbunten Farben sind. Warum? „Tja, die können teilweise über das Aussehen was bewegen“, vermutet er.
Dittrichs überlegte Art ist anerkannt. Dreimal wählten ihn die Sportjournalisten zum „Kufenflitzer des Jahres“. Aber mehr als zwei kleine Sponsoren konnte er nicht gewinnen. Und dann dies: „Wenn ich sehe, was die anderen in einem Jahr verdienen, das hab ich die ganze Karriere nicht“, sagt er und meint das Gehalt von holländischen Spitzenläufern bei Privatteams. Gleich fünf haben sich heuer gebildet. So viele wie noch nie. Die Stars Romme, Ritsma aus Holland oder die Kanadier Overland und Wotherspoon laufen für die Privaten, die sich leidlich mit den nationalen Verbänden arragieren.
In Deutschland agiert die Deutsche Eischnelllauf-Gemeinschaft (DESG) scheinbar zentralistisch, tatsächlich verwaltet sie die regionalen Interessen der Klubs in Erfurt oder Inzell. Anstatt die Leistungsstärksten unter einem Trainer das ganze Jahr zu betreuen, geht die Förderung in die Breite. „Diese Eigenbrötelei kann man im Prinzip vergessen“, so Dittrich. „Keiner zieht hier so knallhart durch wie in Holland.“ Natürlich fehle das Geld und teilweise die Kompetenz der Öffentlichkeit. „Wir kochen also im eigenen Saft. Jeder Verein macht Seins.“ Wenige Athleten erliefen das Geld für die DESG durch Topresultate, würden aber nicht entsprechend gefördert, ärgert sich Dittrich.
Er hat in Chemnitz gute Bedingungen. Die Sparkasse hat ihn freigestellt; in der Trainingsgruppe stehen mit Jens Boden und Knut Morgenstern weitere ambitionierte Langdistanzler. Laut Dittrich sollte sich schnell etwas ändern, denn „wenn die guten Läufer erst mal weg sind, kommt nicht mehr viel nach“.
Bis zu Olympia 2002 in Salt Lake City möchte Dittrich weiterlaufen. Jedes Jahr ist der Mann mit den relativ dünnen Oberschenkeln (Umfang 55 cm) ein bisschen schneller geworden. Dass seine Sportart in Deutschland Fahrt aufnimmt, bezweifelt er allerdings. „Ändern wird sich nichts“, prophezeit er nüchtern. Wobei: „Es könnte sich was tun.“ Das Potenzial wäre vorhanden.
MARKUS VÖLKER
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