: „...ein ganz böses Vermächtnis“
■ Trotz Verbots führte Linzer Theater Thomas Bernhard auf
Die Ersten werden die Letzten sein. Die Premiere des Stückes Die Berühmten war zugleich die letzte Aufführung. Die Theatergruppe 'Phönix‘ in Linz setzte sich bewußt über Thomas Bernhards testamentarisches Verbot hinweg, innerhalb der nächsten siebzig Jahre seine Stücke in Österreich aufzuführen. Auf die Ankündigung, das Stück zur Aufführung zu bringen, reagierte der Suhrkamp Verlag mit einer einstweiligen Verfügung. Die einmalige Aufführung der Berühmten kostete die freie Gruppe 100. 000 Schilling, zudem wird jetzt bei Gericht um einen Streitwert von 450.000 Schilling verhandelt. Dem kann und will das Theater nicht standhalten; die 24 geplanten Vorstellungen wurden abgesetzt.
Die Schärfe der juristischen wie auch der verbalen Reaktionen — Dr. Peter Fabjan, Bernhards Halbbruder und Nachlaßverwalter sprach von einer „bodenlosen Frechheit“ überrascht, wenn man die tatsächliche Handhabung des Testaments berücksichtigt. Es ist zum Beispiel nicht ganz klar, ob die Verlängerung der Spielverträge mit dem Burgtheater für verschiedene Bernhard-Stücke, der erst im Sommer der Suhrkamp Verlag stattgegeben hatte, tatsächlich dem letzten Willen des Autors entspricht. Es handelt sich um Verträge, betonte der Verlag auf Nachfragen der taz, die noch zu Lebzeiten des Autors geschlossen worden waren. In seinem Testament hatte Thomas Bernhard betont, mit dem österreichischen Staat nichts zu tun haben zu wollen, und das Burgtheater ist eine staatliche Institution — ebenso wie die Gerichte, die nun mit der Sache beschäftigt sind. Den in juristischer Logik (und entsprechenden Verpflichtungen) befangenen Justitiaren bei Suhrkamp ist diese sanfte Ironie sicherlich entgangen.
Das Phönix-Theater hat Die Berühmten außerdem nicht einfach in Szene gesetzt, sondern frei bearbeitet. „Bis der erste Satz des Bühnentextes ausgesprochen wird, ist fast die Hälfte der Vorstellung verstrichen“, heißt es in einer Besprechung im Wiener 'Falter‘. „Eine Woche Probenzeit hätte das Ensemble wahrscheinlich (...) noch gebraucht, dann hätte das Stück vielleicht ,Berühmt. Nach Ideen von Thomas Bernhard‘ geheißen, und seine Dichtung wäre nur noch in ein paar urheberrechtlich unbedenklichen Worten präsent gewesen.“ Mit seiner Don-Quichotterie liegt „Phönix“ sicher quer zu verlagseigenen Vorstellungen von Vermarktungskontinuität. Vera Jost
Das Theater hat einen Unterstützungsfonds eingerichtet: „Fonds für Thomas Bernhard in Österreich“. Kreditanstalt in Linz, 4020 Linz, Coulinstraße, Kto. 0992—44485/00
P.S.: Die ursprüngliche Produktion wurde am Mittwoch als überarbeitete „Eigenkreation“ mit dem Titel „Versuch. Ein Stück“ neu herausgebracht.
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