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editorialGegen das Regime des Krieges

Der Angriff auf die Ukraine stellt eine historische Zäsur dar. Zu Fotos und Themen dieser Literataz

Katharina Raabe, 1957 geboren, ist die deutsche Verlagslektorin solcher ukrainischer Literaturstars wie Serhij Zhadan und Juri Andruchowytsch. Wir haben sie in ihrem Büro in Berlin besucht. Der russische Angriff auf die Ukraine erschüttert sie wie so viele Menschen hierzulande derzeit. Katharina Raabe fürchtet: „Im Moment wird alles zerstört, was in den vergangenen 30 Jahren an Gutem aufgebaut wurde.“ Und das, kann man ergänzen, war gerade in Bezug auf die Literatur aus der Ukraine eine Menge.

Neben Zhadan und Andruchowytsch, Andrej Kurkow und Oksana Sabuschko wären auch zu nennen, sind die deutschen Autorinnen mit ukrainischem Hintergrund Sasha Marianna Salzmann und Katja Petrowskaja wichtige Stimmen in Deutschland. Und es ist angesichts der vielen Opfer keineswegs zynisch festzustellen, dass der russische Angriff auch einfach traurig stimmen kann: Ein Autor wie Serhij Zhadan hätte – anarchistisch und ironisch, wie er lange war – auch hip und cool werden können, wenn Putins Repression ihn nicht zwingen würde, in seiner angegriffenen Heimat ein Held zu sein.

Dazu ein Essay auf den Seiten 6 und 7 dieser Literataz. Zum Ukrainekomplex schreibt zudem auf der Seite 3 Jens Uthoff einen kleinen Sachbuch-Überblick, in dem klar wird, dass unsere Gesellschaft viel früher über Putins Absichten im Bild hätte sein können.

Wir haben uns entschlossen, diese Literataz mit Porträts aus der Ukraine zu bebildern, um die Menschen aus der Ukraine nicht aus dem Blick zu verlieren. Es sind die Bilder aus einem neuen Alltag, einem Alltag der Traumatisierungen und des Leids, der eigentlich gerade nicht Alltag ist, sondern eine historische Zäsur darstellt. Und das nicht bloß für die Ukraine.

Neben den Bildern und den Nachrichten vom Krieg verlieren all die anderen Themen schnell an Bedeutung. Doch es wäre falsch, alles Denken dem Regime des Krieges zu unterstellen und das Staunen, Wünschen und Hoffen, wie es auf unserer Kinderbuchseite (S. 8) heißt, zu vergessen. Auch wie ein großer Bogen weiter zu spannen wäre, hin zu einer sozialökologischen Transformation, diskutieren wir weiter, in dieser Literataz mit dem Buch von Philipp Lepenies mit dem Titel „Verbot und Verzicht“. Ein Titel, der aktuell ganz andere Gedanken evoziert, Stichwort Krieg.

Außerdem in dieser Ausgabe: Amia Srinivasans Buch über innerfeministische Kämpfe und die Frage, warum so viele Feministinnen auf den patriarchalen Staat vertrauen; Ronen Steinkes Analyse der deutschen Klassenjustiz, Peter Geimers Untersuchung, wie Geschichte zu Bildern wird und vieles mehr.

Viel Spaß beim Entdecken und Lesen. Dirk Knipphals und Tania Martini

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