Neue Kontaktlinsen: Warum Menschen bald wie Schlangen sehen könnten
Hightech-Linsen lassen Menschen Licht sehen, das sonst Schlangen und Bienen vorbehalten ist. Mögliche Anwendungen reichen von Rettung bis Spionage.

Wer die Welt als Ganzes sehen will, kann sich nicht nur auf die Augen verlassen, das wusste schon der kleine Prinz aus dem gleichnamigen Buch von Antoine de Saint-Exupéry. Nicht nur, weil man auch das Herz braucht, um das Wesentliche zu erkennen, sondern, weil die Augen von Lebewesen immer nur einen Teil des Lichtspektrums wahrnehmen können. Für den Menschen markieren die Farben Lila und Rot die Enden des Regenbogens. Bienen können jedoch das kurzwelligere UV-Licht wahrnehmen und einige Schlangenarten verfügen über einen Infrarotblick, der ihnen bei der Jagd hilft. Infrarotstrahlung wird auch von Wärmebildkameras genutzt. Ein Forschungsteam um den Neurowissenschaftler Tian Xue von der Universität für Wissenschaft und Technik (USTC) hat nun Kontaktlinsen entwickelt, die es Menschen ermöglichen, Infrarot zu sehen. Um mit dem technischen Hilfsmittel bereits jetzt wie eine Schlange zu sehen, ist es allerdings noch zu früh.
Die Studie
Für die im Fachmagazin Cell veröffentliche Studie haben die Forschenden weiche Kontaktlinsen mit einer dünnen Schicht aus Nanopartikeln überzogen. Der Trick besteht darin, dass die Schicht die Infrarotstrahlung absorbiert und als gewöhnliches Licht, beispielsweise in den Farben Rot oder Blau, wieder abgibt. Mithilfe der Linsen konnten die Probanden erkennen, aus welcher Richtung das Infrarotlicht kam, und eine Abfolge von Signalen identifizieren, die aus einer Infrarot-LED aufblitzten. Am besten sahen sie jedoch mit geschlossenen Augen. Infrarotstrahlung durchdringt das Lid, sichtbares Licht aber kaum.
Den Schärfetest bestanden die Linsen allerdings nicht. Das Licht wird von den Linsen zu stark gestreut, um die ausgeprägten Formen der Leuchtbilder, die den Probanden gezeigt wurden, zu erkennen. Erst mit einer speziellen Brille besserte sich das. Grundsätzlich gilt: Um wie mit einer Wärmebildkamera sehen zu können, ist noch einiges zu tun. Warme Objekte strahlen vor allem im fernen Infrarotbereich. Auf diesen Wellenlängen muss die Technologie erst noch erweitert werden. Außerdem müssen die Linsen empfindlicher werden, damit sie auch mit natürlichem, schwächerem Infrarotlicht, das nicht durch LEDs generiert wird, funktionieren.
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Was bringt’s?
Studienautor Tian Xue sieht trotz der Limitation Anwendungsmöglichkeiten: „Flackerndes Infrarotlicht könnte zur Übertragung von Informationen in den Bereichen Sicherheit, Rettung, Verschlüsselung oder Fälschungssicherheit verwendet werden.“ Diese Funktionen wären für den militärischen Gebrauch und die Geheimdienste interessant. Sie könnten jedoch auch von Dieben zum Ausspähen missbraucht werden. Die Technik könnte möglicherweise auch Menschen mit Farbenblindheit helfen. Über denselben Mechanismus würde für sie unsichtbares Licht in sichtbares Licht umgewandelt werden.
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