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doppelblindZu hoher Ausstoß von Treibhausgasen? It’s the patriarchy, stupid!

Worum geht’s?

Für den Klimawandel sind nicht alle Menschen gleichermaßen verantwortlich. Mit der Ungleichheit bei den Treibhausgasemissionen beschäftigen sich zahlreiche Studien. Sie zeigen beispielsweise, dass die Länder, die am meisten durch die Klimakrise gefährdet sind, am wenigsten zu ihm beigetragen haben. Und dass das reichste Prozent der Weltbevölkerung allein ein Fünftel aller Emissionen verursacht. Noch kaum eine Rolle gespielt hat bei den meisten Untersuchungen hingegen ein anderer Faktor: das Geschlecht. Obwohl bekannt ist, dass Männer und Frauen bezogen auf den Klimaschutz ganz anders handeln.

Die Studie

Für die Studie, die die London School of ­Economics kürzlich veröffentlichte, werteten Forscherinnen zwei Umfragen aus Frankreich aus. Für die erste dokumentierten rund 2.100 Menschen ihre Essgewohnheiten, für die zweite 12.500 Menschen ihre Fahrten mit Nah- und Fernverkehr. Die Forscherinnen führten beide Ergebnisse zusammen und verknüpften sie mit Emissionsdaten für Nahrungs- und ­Verkehrsmittel.

Die Daten zeigen, dass französische Frauen insgesamt 26 Prozent weniger emittieren als Männer – sowohl bei der Mobilität als auch beim Essen. Während die Männer jährlich insgesamt 5,3 Tonnen CO2-Äquivalente emittieren, sind es bei den Frauen nur 3,9 Tonnen. Allerdings verdienen Männer oft mehr als Frauen, zudem brauchen sie deutlich mehr Kalorien, so dass denkbar wäre, dass diese Differenz nicht am Geschlecht liegt, sondern biologische und gesellschaftliche Gründe hat. Doch selbst als die Forscherinnen soziodemografische und biologische Merkmale herausrechneten, blieb ein Unterschied von 18 Prozent.

Einen Großteil davon erklären zwei Konsummuster, die oft mit Männlichkeit in Verbindung gebracht werden: Fleischessen und Autofahren. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass traditionelle Geschlechternormen eine wichtige Rolle bei der Gestaltung des individuellen CO2-Fußabdrucks spielen“, sagt Autorin Ondine Berland.

Das untermauert Thesen wie die der US-amerikanischen Politökologin Cara New Daggett, die eine Verbindung zwischen dem Wunsch nach patriarchalen Strukturen und der Verteidigung des Verbrennungsmotors sieht. Sie erfand dafür den Begriff „Petro­maskulinität“. Eine Wortschöpfung aus Petroleum, also Erdöl, und Maskulinität, also Männlichkeit.

Was bringt’s?

Neue wissenschaftliche Studien stellen wir jede Woche an dieser Stelle vor – und erklären, welchen Fortschritt sie bringen.

Die Studie liefert gute Hinweise darauf, wie ­Gesellschaft und Politik Klimaschutz zielgerichteter angehen können. Dazu könnte beispielsweise gehören, Männlichkeitsbilder so neu zu formulieren, dass sie weniger auf Risikoverhalten setzen. Die Studienergebnisse könnten auch erklären, warum Frauen oft schneller zum Klimaschutz bereit sind: Die Umstellung auf einen mit dem Klimaschutz kompatiblen Lebensstil dürfte ihnen leichter fallen als ­Männern. Lalon Sander

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