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Studie aus den USAWie ein neues Gegengift bei Schlangenbissen helfen könnte

Ein Mann ließ sich über 800 mal von giftigen Schlangen beißen. Sein Blut lieferte nun die Grundlage für ein potenzielles Mittel gegen giftige Bisse.

Tim Friebe, furchtlos und nach etlichen Bissen imun gegen die meisten Schlangengifte Foto: Centivax/ap

Worum geht’s?

Erst ein bedrohliches Fauchen, dann bohren sich plötzlich die Giftzähne der Schlange in die Haut. Weltweit werden laut Weltgesundheitsorganisation jährlich etwa 5,4 Millionen Menschen von Giftschlangen gebissen, bis zu 2,7 Millionen Menschen erkranken in Folge des Bisses. Jährlich sterben zwischen 81.000 und 138.000 Menschen an den Folgen giftiger Schlangenbisse.

Bei einem solchen Biss kann ein Gegengift, das sogenannte Antivenom, Leben retten, doch es muss schnell verabreicht werden. Bisherige Heilmittel helfen nur gegen das Gift einzelner Arten. Die Schlangenart muss daher nach dem Biss möglichst schnell und korrekt identifiziert werden. Das neue Gegengift hingegen soll ­gegen mehrere Schlangenarten wirken, mehr als 600 giftige Arten sind weltweit bekannt. Damit liefert die Forschung einen wichtigen Ansatz für ein breiteres Gegenmittel für Schlangenbisse.

Die Studie

In einer im Mai 2025 in der Fachzeitschrift Cell veröffentlichten Studie wurde nun ein neues potenzielles Gegengift gefunden. Dabei testete ein US-amerikanisches Forschungsteam das Blut eines Spenders, der sich unabhängig von der Untersuchung freiwillig sehr oft dem Gift tödlicher Schlangen ausgesetzt hatte und passende Antivenome verabreicht bekam – insgesamt 856 Mal in 18 Jahren.

Bei der Analyse seines hyperimmunen Bluts konnten zwei breit neutralisierende Antikörper gefunden werden. In einem nächsten Schritt wurde die Wirkung dieser Antikörper gegen verschiedene Schlangen erfolgreich an Mäusen getestet.

Durch diese Untersuchungen konnten die Forschenden ein mögliches Antivenom bestimmen, das gegen das Gift von 19 der weltweit giftigsten Schlangen wirkt. Bereits eingesetzte Gegengifte werden aktuell noch aufwendig aus Tieren wie Pferden oder Schafen gewonnen und wirkten oft nur gegen eine spezifische Art oder eng verwandte Arten. Der in der ­Studie vorgestellte Mix aus zwei Antikörpern und einem Enzymhemmer könnte die tierischen Gegengifte mit vielen Nebenwirkungen durch ein gentechnisch hergestelltes Mittel ersetzen.

Was bringt’s?

Die Studie beweist erstmals die technische und medizinische Umsetzbarkeit eines breiteren, im Labor erzeugten Antivenoms. Bis zu einem klinisch einsetzbaren Produkt ist es allerdings noch ein weiter Weg.

Außerdem handelt es sich dabei ausdrücklich nicht um ein universelles Gegengift, sondern um eine eher zufällige Kombination an Schlangenarten, die den Spender gebissen haben. Medizinisch besonders wünschenswert wären Antivenome, die für die Schlangen­arten in bestimmten Regionen optimiert sind. Neben der Suche nach weiteren und besseren Anti­körpern werden auch ökonomische Faktoren darüber entscheiden, ob aus dieser Forschung tatsächlich ein anwendbares Gegengift entsteht.

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3 Kommentare

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  • Wenn Gegengifte, die für die Schlangen­arten in bestimmten Regionen optimiert wurden, medizinisch „besonders wünschenswert“ sind, kommt gewiss bald ein kluger Kopf auf die Idee, die Leute in genau diesen Regionen zu fragen, ob sie nicht zufällig schon mehrfach gebissen wurden, das überlebt haben und bereit sind, ihr Blut dem Gemeinwohl zur Verfügung zu stellen.

    Wobei. Ob es die spezifischen Impfstoffe irgendwann gibt, hängt vermutlich wirklich weniger von der medizinischen Notwendigkeit ab, als vielmehr vom Glauben der Pharma-Industriellen. Daran nämlich, dass die jährlich 5,4 Millionen potentiell Gebissenen nicht nur gewillt, sondern auch und in der Lage sind, der Pharma-Industrie ein Angebot zu unterbreiten, das sie unmöglich ablehnen kann.

    Da Schlangenbisse a) vor allem in ärmeren Weltgegenden vorkommen, b) die Chance, auch ohne spezifisches Gegengift zu überleben, bei etwa 54 zu 1 liegt und c) das Risiko eines Bisses durch Erfahrung und Umsicht minimiert werden kann, mögen die Pharma-Bosse am „guten Willen“ der pot. Gebissenen gewisse Zweifel hegen. Vermutlich wären die Gegengifte ja sonst auch schon längst „am Markt“. Ganz doof sind sie ja schließlich nicht, die Bosse. 🤷

    • @zitterbacke:

      Die Pharmaindustrie soll also keine Gegengifte entwickeln, wenn ich Sie richtig verstehe.

  • 856 Mal in 18 Jahren??

    Muss man da jetzt Bewunderung haben oder vermuten, dass der Gute verrückt ist?