dokumentation: General Norman Schwarzkopf erinnert sich
White Christmas am Golf
Am Samstag hat der Bundestag die Entsendung von 1.200 deutschen Soldaten nach Afghanistan beschlossen. Verteidigungsminister Rudolf Scharping möchte die Einheiten zwar noch vor dem Jahreswechsel schicken – aber erst nach Weihnachten. So bleibt den Familien Feldpost zum Fest erspart.
H. Norman Schwarzkopf war der oberste Befehlshaber, als sich Ende 1990 US-Truppen in Saudi-Arabien für die Operation „Desert Storm“ gegen den Irak vorbereiteten. In seiner 1991 bei Goldmann erschienen Biografie „Man muss kein Held sein“ hat er über das etwas andere Weihnachtsfest berichtet. Am 23. Dezember gab es Ärger, weil eine französische Einheit zur Feier ein Rockkonzert mit Tänzerinnen abhalten wollte. Er schreibt:
Ich musste nicht nur Pläne für einen Krieg schmieden, ich musste auch für das Weihnachtsfest in einem Kriegsgebiet Vorbereitungen treffen, in einem streng muslimischen Königreich eine besonders interessante Herausforderung. Chalid machte sich bereits mehr als einen Monat im Voraus Sorgen. Mitte November sagte er mir: „Ihr müsst eure Radiosender abstellen.“
„Aber wir haben sie gerade erst eingerichtet. Was ist denn los?“ Wie sich zeigte, war die Ausstrahlung von Weihnachtsliedern der Stein des Anstoßes.
„Da weiß ich Abhilfe“, sagte ich. – „Wie?“ – „Es gibt zwei Arten von Weihnachtsliedern, darunter eine rein instrumentale Version. Wir senden einfach nur Musik.“
Chalid war erleichtert. Ich versicherte ihm, dass unsere Gottesdienste so diskret bleiben würden wie bisher. Es sollte keine Ankündigungen oder Ausstrahlungen von Gottesdiensten geben, keine Zurschaustellung religiöser Symbole, keine Krippenszenen im Freien – und das Verbot für weibliche Showstars blieb auch während der Festtage bestehen (. . .)
Am 24. Dezember erschien Bob Hope. Er und ich unterhielten uns ein wenig in meinem Büro, und dann begleitete ich ihn in die von uns von den Saudis zur Verfügung gestellte Escan-Siedlung, wo er und seine Truppe an den ersten beiden Tagen ihre Shows aufführten. Nachdem ich ihn vorgestellt hatte, setzte ich mich ins Publikum – mehr als neunhundert Amerikaner, mehrheitlich von der Luftwaffe. Die Show war nicht sehr lang – einige Requisiten waren nicht eingetroffen, und er musste in Saudi-Arabien ohne seine Schauspielerinnen und Tänzerinnen auftreten. Aber das machte nichts. Bob Hope und Johnny Bench erzählten Witze, Aaron Tippin sang Countrymusic-Songs und schließlich trat Bob Hopes Frau Dolores (sic!) auf und sang gemeinsam mit den Soldaten „White Christmas“. Die Stimmung war überwältigend und gefühlsgeladen. Wir befanden uns mitten auf einem Kriegsschauplatz. Es war Weihnachten. Wir vermissten unsere Familien. Und wir sahen eine Bob-Hope-Show – genau wie die Truppen im Zweiten Weltkrieg, genau wie die Truppen in Korea, genau wie die Truppen in Vietnam (. . .)
Am Weihnachtsabend wollte ich in die Kirche gehen und bat daher einen Adjudanten, festzustellen, wo ein Gottesdienst mit Kommunion abgehalten werden würde. Dies war angeblich in Escan der Fall, und um sieben Uhr dreißig fuhren wir dorthin hinaus, in ein riesiges Zelt, das als Kirche eingerichtet war. Der Gottesdienst war, wie sich herausstellte, ökumenisch, es gab keine Kommunion, aber das machte mir nichts aus. Da ich wusste, dass ich bestimmt ein paar Tränen vergießen würde – Weihnachten übte stets diese Wirkung auf mich aus, und diesmal war es besonders gefühlsbeladen, weil ich meine Familie so sehr vermisste –, hoffte ich, einen Platz in den hinteren reihen zu finden. Aber das Zelt war voll, und jemand hatte mir einen Platz ganz vorn reserviert, genau unter einer Reihe heller Glühbirnen. Das war wahrscheinlich ganz gut so, denn als der Gottesdienst begann und wir unsere Stimmen zu einem „Weihnachtslied“ erhoben, half mir die Tatsache, dass ich an einem für meine Truppen gut sichtbaren Platz saß, meine Gefühle unter Kontrolle zu halten.
Danach servierten die Helfer der Feldgeistlichen hinten im Zelt Plätzchen, Kuchen und Kaffee. Offiziere und Soldaten drängten sich, um mit mir zu reden. Ein junger Pilot bat mich, ihm auf dem Gottesdienstprogramm ein Autogramm zu geben: „Sir, wenn ich das meinen Eltern nach Hause schicke, wird sie es sehr freuen, dass Sie am Weihnachtsabend bei uns waren.“ Alle hatten sie am Nachmittag Bob Hope gesehen, und einige sprachen darüber, wie froh sie wären, dass er herübergekommen sei, und wie die Show ihnen das Gefühl vermittelt habe, Teil der amerikanischen Militärtradition zu sein.
Ich kehrte in mein Zimmer im Verteidigungsministerium zurück. Brenda hatte mir einen kleinen kleinen Weihnachtsbaum mit Lämpchen geschickt, ich knipste ihn an, legte eine Kassette mit Weihnachtsliedern auf und war beinahe eingeschlafen, als ich in meinem Büro das rote Telefon mit der Leitung nach Washington klingeln hörte. Es war Präsident Bush. „Ich wollte den Tag nicht verstreichen lassen, ohne Ihnen und all den Männern und Frauen unter Ihrem Kommando ein frohes Weihnachtsfest zu wünschen“, sagte er. „Ich weiß, dass Sie fern von Ihren Lieben sind, aber ich möchte, dass Sie wissen, dass wir in unseren Gedanken und Gebeten bei Ihnen sind. Sie wissen jetzt, welchen Kurs wir eingeschlagen haben. Unsere Gebete gelten in den kommenden Tagen Ihnen.“ Ich sagte ihm, wie sehr ich seinen Anruf schätze, und dankte ihm im Namen des Central Command (. . .)
Am folgenden Morgen, so Schwarzkopf dann weiter, „servierte Stabsbootsmann Rick Rieger zwei Gläser Orangensaft, eine Tafel Schweizer Schokolade und eine Schale mit Grapefruitstücken. Dazu erklang Weihnachtsmusik.“
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