dieser verdammte krieg (60):
ROGER WILLEMSEN führt heute das Kriegstagebuch der taz.
Im Westen nichts Neues
Jeder Tag in diesem Krieg ist nach Meinung der Kriegspromoter „neu“ oder „jetzt neu“. Stimmt. Der Kriegswinter sieht nicht aus wie ein Kriegswinter und die Trümmerfrauen nicht wie Trümmerfrauen.
Aber sonst?
Überrascht es, dass sich die unterprivilegierte Welt irgendwann einmal auflehnen würde? Nein. Dass sie eines Tages nicht mehr den Weg der Konferenzen gehen würde, die ihr Elend veralbern? Nein. Dass die Gegner der Vereinigten Staaten aus dem Kreis ihrer Exverbündeten kommen und zur Weltmacht des Bösen hochgefälscht würden? Nein. Dass es schon aus kathartischen Gründen eines Krieges bedürfen würde? Nein. Dass die strafrechtlich relevante Unterscheidung zwischen „Beweis“ und „Hinweis“ fallen würde? Nein. Dass der mutmaßliche Attentäter Befriedigung über das Gelingen des Attentats empfinden würde? Nein. Dass die Demokratie so schnell eingeschränkt wäre, dass Gore Vidal Bushs Maßnahmenpaket schon mit Hitlers Ermächtigungsgesetzen vergleichen würde? Nein. Dass in Deutschland Notstandsgesetze nicht mehr so heißen, aber so weit reichen und keinen Protest mehr auslösen würden? Nein. Dass eine Zeit mit allen Symptomen von Kriegsbegeisterung auch eine von ihrer Unabhängigkeit entbundene Publizistik bekommen, dass Focus mehr über die Bedrohung wissen würde als die CIA, und Reinhard Mohr und Henryk Broder beim Schreiben Military Look anlegen würden? Nein.
Aber dass man drei Monate nach den Attentaten schon wieder mit einer Nagelfeile im Handgepäck ein Flugzeug betreten darf – wer hätte das ahnen können!
MORGEN: Sibylle Berg
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