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die wortkundeUnfug

Ständig raunzt es „Scheiße“, „Bullshit“ oder „Fuck“ durch die Straßen und Großraumbüros – dabei gibt es ein viel schöneres Wort. Aber dieses Wort stirbt. Die Rede ist vom UNFUG. Der Unfug lässt sich treiben und anrichten, alleinstehend ist er fast niedlich, in seiner Steigerung aber grob, wie grobe Leberwurst. Unfug gehört zu den unterrepräsentierten deutschen Wörtern, zu den linguistischen Minderheiten, so wie Humbug, Kokolores, Mumpitz oder Schmu.

Eine Institution könnte helfen: der Verein Deutsche Sprache. Dieser Verein könnte den guten, alten Unfug retten. Doch was tut er? Er bastelt ein merkwürdiges neues Wort zusammen: „Gender-Unfug“. Wie bitte?

„Schluss mit dem Gender-Unfug!“ krakeelen die üblichen verdächtigen Dudes in einem am Donnerstag veröffentlichten Aufruf in die Welt hinaus – und geben dabei auch noch vor, sie seien an Frauenrechten interessiert. Helfen würden „lächerliche Sprachgebilde“ wie Studierende, Arbeitnehmende und „Luftpiratinnen“(!) den Frauen nämlich nicht, erklärt das hauptsächlich männliche Verfasser*innenquartett. Schließlich sei Angela Merkel Bundeskanzlerin geworden, sogar dem widrigen Umstand zum Trotz, dass im Grundgesetz ausschließlich vom „Bundeskanzler“ im männlichen Generum die Rede sei. Nun aber sei ein „zerstörerischer Eingriff“ in die deutsche Sprache zu befürchten.

Diese Sorge teilen Unterstützer*innen mit barrierearmen Titeln wie Prof. Dr. Dr. h.c. Der „Gender-Unfug“ scheint für diese Menschen eine Steigerung des groben Unfugs zu sein. Grober Unfug, um es erneut mit der Leberwurst zu sagen, wurde nicht oft genug durch den diskursiven Fleischwolf gedreht. Mit dem „Gender-Unfug“ verhält sich das ähnlich. Das beste Argument dafür liefern die Kritiker*innen sogar selbst. Die gendergerechte Sprache sei nämlich „konsequent gar nicht durchzuhalten“ – heißt übersetzt: „Das ist so mühsam, so langwierig und wir leben doch auch ohne ganz super“.

Wer hier zum „Wir“ gehört, das wird mal wieder nicht weitergedacht. Und ja, Kämpfe um Gleichberechtigung erfordern Mühe. Auf der Straße, im Duden und nicht zuletzt im Kopf. Wer das nicht auf sich nehmen mag, schreibt Widerstandsschriften. Das andere Wir ist derweil beschäftigt – mit der Rettung des Unfugs. Lin Hierse

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