die wahrheit: Der homosexuelle Mann
Fühlt sich zuständig für den guten Geschmack, den idealen Körper und die gelungene Dekoration, will aber mit einem wirklich nichts zu tun haben: ...
... fühlt sich zuständig für den guten Geschmack, den idealen Körper und die gelungene Dekoration, will aber mit einem wirklich nichts zu tun haben: Denken ist seine Sache nicht. Zu sehr erinnert die Kopfarbeit an ältere Herren mit grauen Haaren, schlecht sitzenden Cordhosen und dem Geruch von Knize Ten und Pfefferminztee, rein gar nichts also, für das sich das ästhetisch geschulte Homo-Auge auch nur einen Wimpernschlag öffnen würde. So bleibt auch die neueste Veröffentlichung auf dem schwulen Medienmarkt, das Magazin Front, konsequent gedankenfrei.
In der Eigenwerbung gelobt als gelungene Mischung zwischen Intellekt und völliger Hingabe an Konsum, sind die 130 abgelieferten Seiten nur bunt und blöd, und die Köpfe darin stellen nichts weiter zur Schau als pubertäre Arroganz. Sicher, es gibt im deutschen Feuilleton den einen oder anderen Schwulen mit Gedanken und Geist, doch ist deren belesener Blick auf die Welt zuvorderst nicht gesteuert von der eigenen Lebensführung. Nein, ein kluger Kopf ist nicht sexy und taugt für keinen Markt, auf dem sich schwule Männer behaupten müssen.
Umso erfreulicher, wenn sich einer nicht darum schert und klug und gebildet ist, voller Humor und einer Eleganz, die prickelt, voller Anteilnahme und einem bösen Wort zur rechten Zeit. Seinen Namen kennen nur wenige, und seine Texte sind im Laufe der Jahre weit verstreut erschienen, ergeben aber doch einen konsequent schwulen Blick auf die Welt wie sie ist und nicht immer sein soll. Egbert Hörmann ist ein Berliner mit Wohnsitz in St. Petersburg und kennt sich aus mit guten Filmen und schönen Orten, mit Neoschlampen und Sackhosen, mit knackigen Ärschen und dummen Köpfen: "Cruising mit den Wonderboys" heißt eine Sammlung seiner Texte, die gerade im Berliner Querverlag erschienen ist.
Egal, wohin Hörmann seine Leser führt - in die billigen Bars von Tijuana oder zu "Demel" am Wiener Michaelerplatz, ins Presley-Mausoleum nach Memphis oder Downtown Honolulu, in die viel zu kurzen Leben von Oscar Wilde, Michel Foucault oder Manfred Salzgeber -, immer ist er mit einer Neugier dabei und einem Bündel bekannter Klischees, die er ohne Zögern über den Haufen schmeißt, weil er etwas Besseres findet. Das unterzieht Bekanntes und Vertrautes einer Revision und lässt einen noch mal von vorne anfangen. Und wenn er - wie in seinen Betrachtungen über schwule Kultur und Subkultur - so richtig fies werden kann, weil er genau beobachtet und auf nichts reinfällt, dann bilanziert er das Gesehene mit einem Sinnspruch, der wieder alles auf den Kopf stellt.
Die Texte sind in der Regel Gebrauchstexte auf Bestellung, und oft hat man deshalb das Gefühl, hier schreibt einer bei allem Tempo mit angezogener Handbremse. Wie erst muss es sein, wenn Hörmann so richtig in Fahrt kommt und losprescht und nicht mehr zu halten ist?
Von "gewissen Kreisen" spricht Hörmann an einer Stelle, die glauben, "dass die homosexuelle Erfahrung zu einseitig, zu marginal sei, um etwas über den menschlichen Zustand aussagen zu können". Mit jeder Zeile beweist er das Gegenteil und weist alles andere zurück als "altbackene heterosexuelle Propaganda".
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