die wahrheit: Ein Elch in Nordirland

Die britische Krisenprovinz Nordirland, wo historische Tage seit ein paar Jahren gehäuft auftreten, hat vorigen Donnerstag schon wieder einen solchen historischen Tag erlebt.

Die britische Krisenprovinz Nordirland, wo historische Tage seit ein paar Jahren gehäuft auftreten, hat vorigen Donnerstag schon wieder einen solchen historischen Tag erlebt. "Das ist ein bedeutsamer Tag nicht nur für Belfast, sondern für ganz Nordirland", jubelte Belfasts Bürgermeister Jim Rodgers. "Es beweist, welche Fortschritte wir mit unserem Friedensprozess gemacht haben."

Die ehemaligen Erzfeinde, Premierminister Ian Paisley von den Demokratischen Unionisten und sein Stellvertreter Martin McGuinness von der IRA-Partei Sinn Féin, nickten grinsend, während sie händchenhaltend auf einem knallroten Sofa saßen, hinter ihnen ein Spruchband an der Wand: "Zuhause ist der wichtigste Ort der Welt." Hatten sich die beiden das Ja-Wort gegeben? Nicht ganz. Die Aufregung ist durch eine Geschäftseröffnung ausgelöst worden - die erste Ikea-Filiale in Irland. Sie umfasst die Grundfläche von fünfeinhalb Fußballfeldern und liegt am Rand des George-Best-Flughafens. Außerdem enthält der Möbelladen das größte Restaurant Nordirlands, wo die berüchtigten elastischen Fleischbällchen serviert werden.

Der Medienrummel um den McDonalds der Möbelwelt im Vorfeld der Eröffnung war beachtlich. Ikea hatte 645.000 Kataloge an nordirische Haushalte verteilt, die Presse berichtete von Menschen, die ihre Möbel verbrannten, um Platz für die schwedische Billigware zu schaffen, das nordirische Fernsehen kündigte Live-Übertragungen von der Eröffnung an, und Paisley rhabarberte von "bestmöglicher Ware zum niedrigstmöglichen Preis", was man bei dem Bauskandal um die nordirische Touristenattraktion Giants Causeway, in den er verwickelt ist, nicht behaupten kann.

Die Namen der Möbel sind genauso dämlich wie anderswo: Die Betten heißen Trömsö, Mörrum oder Leksvik, und eine Zeitung meldete, dass in ihnen zehn Prozent aller europäischen Kinder gezeugt werden. Sie kommen neun Monate später mit Imbusschlüssel im Hintern auf die Welt.

Es wäre nicht Nordirland, wenn die Eröffnung einer Holzmöbelbude nicht auch eine politische Komponente hätte. Gary McKeown von den katholischen Sozialdemokraten hatte auf der Modellzeichnung von Ikea neben der schwedischen Fahne auch den Union Jack und die Nordirland-Flagge mit der roten Hand der Unionisten entdeckt. Ikea sei nichts weiter als eine "vornehme Oranierhalle", wetterte er, denn vor den Gebäuden des antikatholischen Oranierordens wehen diese Fahnen - außer der schwedischen - auch. Bei der Eröffnung hing dann aber nur die blau-gelbe Schwedenflagge vor dem Flatpack-Imperium.

Die Polizei war dennoch wachsam. Man hatte 45 Überwachungskameras aufgehängt und hunderte von Beamten eingesetzt, falls irgendwelche Terroristen den Kundenansturm für Brandanschläge ausnutzen wollten. Am Morgen kamen dann gerade mal 500 Menschen zur Eröffnung. Der Verkehr auf der Zufahrtsstraße war geringer als an normalen Wochentagen. Es war die erste Eröffnung einer Ikea-Filiale auf den Britischen Inseln, bei der es ohne Chaos und Verletzte abging. Insofern war es tatsächlich ein historischer Tag.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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