die wahrheit: Neues aus Neuseeland - Würmern im Plumpsklo droht Psychoschaden
Seit ich länger auf einer Südseeinsel weilte, weiß ich, dass es kein schöneres Kack-Erlebnis gibt als auf einem polynesischen Donnerbalken...
Seit ich länger auf einer Südseeinsel weilte, weiß ich, dass es kein schöneres Kack-Erlebnis gibt als auf einem polynesischen Donnerbalken. In Tokelau, Neuseelands einziger Kolonie, thront dieser über dem blauen Wasser der Lagune und wird stets von mehreren schwatzenden und rauchenden Dorfbewohnern zur gleichen Zeit geteilt, die dort den Tagesklatsch austauschen. Daher auch der Name "Tokelauische Telefone" für diese praktische Einrichtung. Was nach unten plumpst, fressen die Fische.
Zum Glück mussten wir diese Fische nicht essen. Was in Tokelau in den sieben Monaten unseres Aufenthalts auf den Teller wanderte, war nicht immer appetitlich und ähnelte in der Konsistenz mitunter einem gekochten Holzscheit, aber es stammte zumindest nicht aus der örtlichen Kanalisation.
Neuseeland hat keine "Tokelauischen Telefone" zu bieten, aber dafür an etlichen Orten die zweitschönsten Toiletten der Welt: Kompost-Klos, die Ökovariante des guten alten Plumpsklos. Wer Glück hat, findet ein stilles Örtchen, dessen Tür aus den verwitterten Angeln gehoben wurde. Mehr Einklang mit der Natur geht kaum. Man schaut auf nichts als Bäume und wildes Buschwerk, während die Verdauung in Gang kommt, die Vögel zwitschern und ein lauer Wind um die heruntergelassene Hose streicht. In respektvollem Abstand lauern Spinnen in den Ecken. Statt einen Spülknopf zu drücken, streut man eine Schaufel Sägespäne ins Loch. Geruchsprobleme? Reinigungsmittel? Raumsprays? Ach was, das erledigen alles die Würmer. Und was am Ende übrig bleibt, kommt als Dünger aufs Gemüsebeet. Das ist vorbildliches Recycling und könnte allerhand Probleme dieser Welt beheben - wenn es nicht jene Beamtin der Stadtverwaltung von Auckland gäbe, die über das Aufstellen einer Kompost-Toilette auf einem Campingplatz zu entscheiden hatte.
Es ging hier um einen "Wormorator", erfunden von einem Geschäftsmann namens Coll Bell. Eine Horde von Tigerwürmern macht sich über das abgelegte Verdauungsgut her, trennt das Harte vom Flüssigen, kaut es gut durch und hinterlässt nichts als frischen Kompost. Um die Genehmigung für den "Wormorator" zu bekommen, brauchte es jedoch die Zustimmung der Behörde. Die schickte eine Mitarbeiterin los, den Zustand der Würmer zu begutachten. Die Beamtin kehrte mit der Auflage zurück, dass ein Gutachten erstellt werden müsse, um den psychischen Zustand der Toiletten-Tiere zu überprüfen. "Sie fand, dass die Würmer schlecht behandelt werden, weil sie menschlichen Fäkalien ausgesetzt sind. Es könnte psychischer Schaden entstehen", so Toilettenbesitzer Bell entgeistert. Er sollte den Nachweis erbringen, "dass die Würmer glücklich sind".
Eine Wurmexpertin attestierte den Kompostkriechern schließlich beste Gesundheit und Fortpflanzungslaune. Das bedeutet grünes Licht für das umstrittene Plumpsklo in Auckland, wirft aber Fragen politischer Korrektheit auf den Tokelau-Inseln auf. Wer sorgt sich dort um die Meeresbewohner, die sich von menschlichen Fäkalien ernähren müssen? Was, wenn ihnen der Fraß und die ständige Erniedrigung nicht bekommt? Fischpsychologen sind jetzt gefragt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen