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die wahrheitAls Penner im feindseligen Ausland

Ich muss über meine Kleidung nachdenken. Und ich sollte mich öfter rasieren. Ein Erlebnis neulich in Liverpool gab mir nämlich zu denken...

Ich muss über meine Kleidung nachdenken. Und ich sollte mich öfter rasieren. Ein Erlebnis neulich in Liverpool gab mir nämlich zu denken. Eigentlich wollte ich mich nur nach einem Internetcafé erkundigen, weil ich meine Bordkarte für den Rückflug nach Dublin ausdrucken musste. Ryanair lässt sich jeden Handschlag bezahlen, selbst das Ausstellen einer Bordkarte.

Normalerweise meide ich diese irische Billigfluglinie, weil es in den Maschinen wie auf einem orientalischen Basar zugeht. Ständig wird man über Lautsprecher in muezzintauglicher Stimmlage aufgefordert, gebratene Würstchen, Parfüm, Uhren, Schmuck, Busfahrscheine und Zugbillets zu kaufen - oder Lose, mit denen man einen Ryanair-Flug gewinnen kann. Zwischen Dublin und Liverpool hat die fliegende Marktbude leider das Monopol. Ob ich nicht einen internationalen Adapter für meinen Rasierapparat gebrauchen könnte, die seien gerade im Angebot, meinte die als Stewardess getarnte Verkäuferin. Erstens seien die Steckdosen in Irland und England identisch, entgegnete ich, und zweitens rasiere ich mich nass - allerdings nicht in den nächsten drei Tagen, hätte ich hinzufügen können, denn weil Ryanair auch für Koffer kassiert, hatte ich nur leichtes Handgepäck dabei. Und da darf keine Rasierklinge hinein.

Das sollte sich rächen. Als ich in Liverpool eine Mutter mit Kind ansprach, um nach dem Internetcafé zu fragen, nahm sie die Kleine bei der Hand und beschleunigte ihre Schritte. Offenbar glaubte sie in Anbetracht meiner Verwahrlosung, ich wollte sie anschnorren. Bei dem nachfolgenden Pärchen erging es mir ebenso. "Vielen Dank, ihr ignoranten Klotzköpfe", rief ich ihnen nach. "Ich wollte lediglich eine Auskunft." Darauf reagierte der Mann, aber nicht so, wie ich erhofft hatte. Wie ich ihn eben genannt hatte, wollte er wissen. Da er größer und kräftiger war als ich, machte ich mich aus dem Staub.

Zum Glück gibt es jede Menge irische Auswanderer in Liverpool. Der irische Bettler, der mich um ein Pfund für ein Bier bat, hatte mehr Menschenkenntnis als die Einheimischen. Er war freilich noch unrasierter als ich, und im Vergleich zu seinen ausgebeulten Hosen mit einer Schnur als Gürtel sahen meine alten Jeans geradezu piekfein aus. Allerdings hatte ihm kein Vogel auf die Jacke gekackt.

Ich gab ihm das Pfund und versuchte mein Glück bei ihm, obwohl ich nicht annahm, dass er Stammkunde in einem Internetcafé war. Nachdem ich ihm mein Problem mit der Bordkarte geschildert hatte, sagte er wehmütig: "Du willst nach Hause." Ich befürchtete, dass er sich mir anschließen wollte und stellte mir vor, wie wir am Flughafen als vermeintliches Pennerpaar in die Ausnüchterungszelle gesteckt würden, doch er zog mich in einen exklusiven Schuhladen.

"Du hast doch heute schon deinen Kaffe bekommen", meinte die Angestellte mit breitem irischen Akzent. Er erklärte ihr die Sachlage. Sie schob mich hinter den Tresen, stellte mir ihren Computer samt Drucker zur Verfügung und sagte: "Iren müssen im Ausland zusammenhalten." Danach kaufte ich ihr ein Paar Schuhe ab. Irgendwo muss man ja mit der Verbesserung seines Erscheinungsbilds anfangen.

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2 Kommentare

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  • JG
    Joachim Gerke

    Lieber Herr Sotschek,

     

    da müssen Sie schon mehr als unrasiert in Liverpool aufgetreten sein. Denn das, was Sie erlebt haben, ist für die Liverpudlians eher untypisch. Sie sind Fremden gegenüber zwar erst einmal etwas zurückhaltend, dann bei näherem Augenschein aber sehr hilfsbereit und aufgeschlossen. Wahrscheinlich wurde die Mutter mit Kind von Ihrem deutschen Akzent abgeschreckt und sie erinnerte sich an Erzählungen ihres Vaters, über das mörderische Bombardement Liverpools durch das Nazi-Regime im Zweiten Weltkrieg.

    Also arbeiten Sie etwas an Ihrem Englisch, denn genannte Eriegnisse sind in Liverpool noch lange nicht vergessen.

    Ich weiß zudem nicht , was für eine Verkäuferin Sie in dem Schuhladen angetroffen haben, aber Iren brauchen in Liverpool nicht zusammenhalten, da Liverpool für sie nicht Ausland und schon lange nicht fremd ist. Die irisch-, walisich- und schottischstämmigen Bewohner haben als "Scousers" schon lange ohne Probleme zusammmengefunden. Für sie ist Liverpool keine englische Stadt, sondern eine keltische, in der sie sich bei allen Problemen, wohl fühlen und für die sie kämpfen und immer gekämpft haben.

    Aber mal Ernst beiseite. Ich betrachte Ihren Artikel eher als Glosse, um unsere englischen (in diesem Fall keltischen) Nachbarn

    jetzt, wo sie sich im Glanz der "Capital of Culture" sonnen, etwas zu ärgern.

  • ML
    Michael Lampel

    Weder gibt es auf Ryanair gebratene Würsten, noch geht es dort wie auf einem Basar zu. Wie bei jedem Flug bei jeder Airline gibt es eine Runde mit dem Catering-Wagen und dann je nach Strecke, ein bis zwei Verkaufsraunden, wo man Parfum, Geschenke etc kaufen kann.

     

    Und Tickets für den Bus oder den Stansted Express an Bord zu kaufen ist erstmal billiger, als diese vor Ort zu erwerben (Preisersparnis für ein Return Ticket 5 Pfund) und zweitens unterstützt man damit die günstigen Flugpreise.

     

    Gerade dass man für "jeden Handgriff" wie es der AUtor formuliert, bezahlen muss, macht das Fliegen so billig, denn man bezahlt nur das, was man braucht. Ich fliege mit Handgepäck für 25 Euro hin und zurück zu jedem Ziel in Europa.

     

    Ich kann im Internet einchecken, mir die Boardkarte selbst ausdrucken und darf noch mit den ersten ins Flugzeug. Selbst wenn ich Gepäck mitnehme, mich im Flieger munter von der Speisekarte bediene und auch sonst alle extras nehme, bezahle ich immer noch nichtmals die Hälfte des Preises, den ich sonstwo bezahle. Von Lufthansa Flügen mal ganz abgesehen.