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die wahrheitPervers und kriminell

Jürgen war misstrauisch. Dabei hatte ich ihn lediglich gebeten, ein paar Kleinigkeiten aus Deutschland mitzubringen, da er für seine Kurzreise auf die Grüne Insel ...

...die Freigepäckgrenze im Flugzeug nicht erreichen würde. Ob ich vergessen habe, was ich ihm vor ein paar Jahren angetan hatte, wollte Jürgen wissen. Er träume heute noch manchmal nachts von dem hämischen Gesicht der Zöllnerin.

Ich hatte gehofft, er hätte die Sache inzwischen vergessen. Damals, es ist schon viele Jahre her, hatte er sich bereit erklärt, einen Koffer meiner Mutter aus Berlin nach Dublin zu transportieren. Da es Mitte Dezember war, nahm er an, dass es sich um Weihnachtsgeschenke handelte. Bei der Abreise in Berlin ging zunächst alles glatt.

Ich hatte Jürgen versprochen, ihn als Gegenleistung für den Koffertransport vom Flughafen abzuholen. Ich war pünktlich, doch von Jürgen keine Spur. Durch die automatische Schiebetür strömten jede Menge Menschen. Man sei mit der Maschine aus Berlin gekommen, bestätigte einer. Von Jürgen war immer noch nichts zu sehen. So ging ich ins Zollamt in der Ankunftshalle und fragte nach.

Die Passagiere aus Berlin seien längst über alle Berge, erklärte mir der Beamte. Da ich hartnäckig blieb, riss er schließlich die Hintertür auf, die direkt in die Gepäckhalle führte. Der Anblick, der sich mir bot, bleibt unvergessen. Vor der Tür stand eine Bank. Auf dieser Bank lag der offene Koffer meiner Mutter. Rechts davon stand eine Zollbeamtin, die einen riesigen fleischfarbenen Damenschlüpfer mit Beinchen hochhielt, wie ihn ältere Frauen tragen. Ihr gegenüber stand Jürgen, dessen Kopf längst nicht mehr fleischfarben, sondern rötlich-violett war. Dann fand die Zöllnerin lauter kleine Päckchen, die in Stanniolpapier eingewickelt waren. Offenbar war der Passagier nicht nur pervers, sondern auch kriminell? Triumphierend schwenkte sie eins der Päckchen in der Luft. "Ha", rief sie, "was haben wir denn hier?"

Jürgen, dem der Koffer wie eine Wundertüte vorkam, vermutete, dass es sich um eine Gans handelte, schließlich sei bald Weihnachten. "In Irland gibt es auch Gänse", wandte die Zöllnerin ein, doch Jürgen entgegnete: "Ich nehme an, diese Gans ist gebraten. Meine Freunde konzentrieren sich zu Weihnachten lieber auf das Trinken und verschwenden ungern Zeit auf die Geflügelzubereitung." Schließlich stieß die Zöllnerin auf eine Thermoskanne. "Die ist doch wohl leer", hoffte sie, doch Jürgen zuckte mit den Schultern. "Ja haben sie denn keinen Schimmer, was sie hier transportieren?" Nein, hatte er nicht. Die Zöllnerin öffnete die Kanne und wich entsetzt zurück. Sie enthielt die Gänsesoße. "Igitt", schrie sie, und vergaß in ihrer Abscheu, dass Fleischwaren nicht nach Irland importiert werden dürfen. "Nehmen Sie Ihren Koffer und verschwinden Sie. Das ist ja wirklich ekelhaft."

Die Damenschlüpfer, so stellte sich später heraus, stammten von meiner Großmutter, die kurz zuvor verstorben war. Meine Mutter meinte, wir könnten sie an ältere irische Verwandte verschenken.

Diesmal brachte Jürgen eine Tafel Schokolade mit. Er hatte sie eigenhändig im Flughafenshop erworben. Bloß keine fremdgepackten Koffer, meinte er.

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