die wahrheit: Die Partei der Wasserköpfe
SPD 2008 - ein ebenso aktueller wie historischer Nasszellenforschungsbericht
Vielleicht liegt es am Olympiajahr und dem Symbol der Ringe, dass die SPD sich im Ringen um die Richtung und die Positionen derzeit so ins Zeug legt. Dabei sein scheint ihr alles und der Sieg nur sekundär. Außenstehende können da nur spekulieren, welche Tricks und Griffe im Moment im Willy-Brandt-Haus wohl angesetzt werden, um die jeweils andere Seite auszuhebeln. Doppelte Trittberger und Hammer-und-Sichelwurfattacken werden wohl nur die Spitze des Eisbeins sein, mit dem die Kontrahenten untereinander ihr Mütchen kühlen. Das meiste zielt eher direkt unter die Gürtellinie.
Aber Hand aufs linke Herz: War die SPD nicht schon immer eine Partei des Feuerwassers? Nicht nur wegen Willy Brandts bekannter Vorliebe für Hochprozentiges, sondern wegen ihrer unversöhnlichen Strömungen, die echte Einigkeit unmöglich machten. Brandt selber war ein Mann der Flammenfraktion, so wie bereits sein Vorfahr Ferdinand Lassalle ein Heißsporn war und den Duelltod starb.
Aber die Wassermänner der Partei hatten eigentlich immer mehr zu sagen. Die Herren Ebert und Noske wurden berühmt durch ihren Auftritt in Badehosen, so wie Jahrzehnte später der poolplanschende Rudolf Scharping im Trüben nach seiner Gräfin fischte. Auch der langjährige Vorsitzende Otto Wels steht hörbar mehr für das nasse Element. Und wenn die Sozialdemokraten "Brüder zur Sonne, zur Freiheit" anstimmen, haben es eben die meisten lieber, wenn ihnen dabei das Wasser bis zum Hals steht. Dann fallen wenigstens die Tränen nicht so auf, die sie bei der grausen Melodie vergießen.
Die Parteigeschichte der SPD liest sich wie ein Logbuch feuchter Stellen. Im Laufe der Sechzigerjahre schlossen sich die Nassforschesten der Partei erstmals zur "Kanalarbeiterfraktion" zusammen. Sie waren mächtig, obwohl sie meist unsichtbar blieben. Das lag an ihrer Vorliebe für alles Untergründige. Mehr als das Ministerium für innerdeutsche Angelegenheit sprang für Egon Franke und die Seinen zunächst nicht dabei raus, passte aber prima ins Bild von Eduard von Schnitzlers unterirdischem "Schwarzem Kanal", dessen westliches Ende sie überwachten.
Im Zeitalter der Tagesbaustellen können die aktuellen Politiker nun nicht mehr so wie damals untertauchen. Deshalb nennen sich die modernen Kanalarbeiter in der SPD auch lieber "Seeheimer Kreis". Immerhin ist das Wasser noch in der Nähe. Hohe Ämter bekleiden sie momentan zwar nicht, wenn man einmal vom Bundeswehrbeauftragten des Bundestages, Dietrich Robbe, absieht. Dennoch tritt bei jeder wichtigen Richtungsfrage der Partei immer einer der Seeheimer aus dem Kreis heraus vor eine Kamera und teilt uns mit, was sie in der Nasszelle ausbaldowert haben.
Eigentlich ist Seeheim sogar eine echte Stadt nicht weit vom Rhein und von dort mit einem Rhein-Seiten-Kanal leicht zu erreichen. In Seeheim steht das Lehr- und Tagungsheim der Lufthansa, in dem man sich vor drei Jahrzehnten erstmalig getroffen hat, um das Kanalarbeitererbe oberhalb des Wasserspiegels anzutreten. Eingeladen haben soll übrigens damals der langjährige Darmstädter Oberbürgermeister Günther Metzger, dessen aktuelle Schwiegertochter Dagmar trotz ihres Brackwasserblicks kein Wässerchen zu trüben scheint, wenn sie heute Roland Koch mit ihrer fischigen Bockigkeit die Macht in Hessen sichert.
So schließt sich der Kreis, den Willy Brandt noch aus Feuer und Wasser bildete. Was einem Weinbruder wie Kurt Beck heutzutage niemals gelänge. Es sei denn, er spränge einmal mitten hinein und sprengte alle sozialdemokratischen Strömungen auseinander - mit einer gigantischen Arschbombe.
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