die wahrheit: Neues aus Neuseeland
Den Eingeborenen kann man es aber auch nie recht machen.
Den Eingeborenen kann man es aber auch nie recht machen. Da beglückt man einen dieser Wilden mit dem Wechsel in die amerikanische Zivilisation, einer Heirat und drei Söhnen, schreibt ein Buch über diesen erstaunlichen Mix der Kulturen - und was ist der Dank? Nichts als Hohn und Spott haben die Neuseeländer für das daraus entstandene Werk von Christina Thomson übrig, das den Kannibalen-Titel "Come on Shore and We Will Kill and Eat You All" trägt. Kommt an Land, und wir töten und fressen euch alle.
An südpazifischen Ufern zu landen würde Thomson im Moment nicht besonders gut bekommen. Da hilft auch nicht, dass sie Chefredakteurin des angesehenen literarischen Journals Harvard Review ist. Maori-Banausin bleibt Maori-Banausin, trotz 20 Jahren Ehe mit dem Subjekt ihres Buches. Und so geht die Geschichte: Thomson, Studentin aus den USA, findet sich in den Achtzigerjahren auf einer Reise in einer Kneipe in Northland wieder, einem der ärmeren Landstriche Neuseelands. Dort trifft sie auf einen Maori, der Tauwhitu heißt, was "Sieben Flüsse" bedeutet. Aber das ist für die angehende Akademikerin wohl zu kompliziert. "Seven" heißt der Verehrte fortan.
Er folgt ihr nach Boston, und was so romantisch beim Bier begann, ist natürlich viel mehr als nur ein Flirt mit Eheanbahnung zwischen einem Kiwi und einer Touristin: Es ist das Symbol des Eintreffens der ersten Europäer in Aoteroa, ein historischer Meilenstein, eine Zivilisationsstufe gar - verwurstet in einem Buch, das der Menschheit die Historie der neuseeländischen Ureinwohner näherbringen will.
Leider jedoch hat die Autorin von der Spezies, die sie beleuchtet, nicht viel mehr gesehen als den eigenen Mann. Der arme "Seven" muss für sämtliche Maori dieser Welt einstehen, die von seiner Ehefrau achtlos "Maoris" genannt werden. Der falsche Plural allein reicht schon, um von keinem halbwegs gebildeten Leser in Neuseeland ernst genommen zu werden. Der Unwissenheit stehen Thomsons Klischees in nichts nach. Die exotischen braunhäutigen Menschen da unten am Rande der Welt sind für sie alle Underdogs - gestern noch Krieger, heute Kriminelle. Was ein Wunder, dass sie ihren persönlichen Wilden in der Zivilisation zähmen konnte. Der Boston Globe vermerkte gar: "Seven hat sich an das Vorortleben gewöhnt. Er spielt gut Tennis." Und mit Messer und Gabel essen kann er auch.
Derselben Zeitung erklärte Christina Thomson, dass sie "nicht lange unter Maoris gelebt" habe - als ob die Maori ein verlorener Stamm tief im Dschungel seien, denen Coca-Cola und YouTube fremd sind, geschweige denn Tennisclubs. Auf ihrer Webseite wird die Autorin gefragt: "Wie waren die Maoris, die Sie getroffen haben?", was in etwa so deplatziert klingt, wie einen New-York-Besucher zu fragen, wie die Juden oder die Schwarzen waren, die er in der Metropole getroffen habe.
Was die Kiwis besonders erbost, wo es doch sogar Maori gibt, die Literaturkritiker sind: Dass Ethno-Expertin Thomson sich nicht die Mühe gemacht hat, ihr Werk einem Neuseeländer zum Gegenlesen zu geben. Zum Beispiel dem eigenen Mann. Doch der hat kein Interesse, das Buch zu lesen. Typisch Maori halt.
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