die wahrheit: Neues aus Neuseeland
Swinger-Clubs statt Bungee-Springer.
Eines muss man der Tourismusindustrie Neuseelands vorwerfen: dass sie Idioten anzieht. Ob dauerfeiernde Backpacker, die vor allem das Innere der Kloschüssel sehen, oder Adrenalin-Junkies, die sich von Brücken in Felsschluchten stürzen: Seit die Fans des FC Liverpool ihre Spieler zum Champions-League-Finale nach Istanbul begleiteten, hat wohl kein Land mehr so viele Besucher erlebt, die man am liebsten nur am Abflugschalter sieht.
Wahrscheinlich liegt es daran, dass "Godzone" angeblich keine Kultur und Geschichte hat. Gegen das Pantheon kann das Te Papa Museum in Wellington selbstverständlich nicht anstinken. Da die echte Kultur der Kiwis so viel verschrobener ist und sich niemandem aufdrängt, wird lieber aggressiv das vermarktet, was offensichtlich ist: die Natur. Aber mit Wandern und ein wenig Segeln ist es nicht getan. Das würde ja nur Rentner anlocken.
So wurde für die SMS-Generation ein künstlicher Abenteuermarkt erschlossen. Dass man sich horizontal und vertikal durch Wälder, Flüsse, Schneefelder und Sanddünen katapultiert oder abseilt - das kommt denen, die es überstanden haben, so vor, als hätten sie den Nordpol erschlossen. Ein einmaliges Erlebnis. Vorher unterschreibt man all das Kleingedruckte, mittendrin ist man in dicke Westen gepackt und wird vom Tourguide zum Kreischen animiert, und nachher wartet schon der Reisebus mit der nächsten Ladung an Freizeitdeppen. Das erfordert Nerven, mindestens 100 Dollar und ein sicheres Deo.
Wer sich so richtig was traut, der macht es wie der deutsche Backpacker Jan Philip Scharbert. Er hatte wohl noch nicht genug Adrenalin-Ausschüttung bei einer Besteigung des Franz-Josef-Gletschers gehabt. Also griff er zur Sprühdose und verzierte die Felsen des Gletschers mit Graffiti. Dummerweise wurde der Tagger von einer Gruppe Engländer fotografiert und war unschwer an seinen tief sitzenden Shorts und der karierten Unterhose zu erkennen, als ihn am nächsten Tag die Polizei abfing. Anderthalb Tage musste der Münchner den Gletscher schrubben, bis alle Farbe runter war. Extremsport mal ganz anders.
Leider gibt es nicht nur Ärger, sondern auch böse Unfälle auf dem Kinderspielplatz für Erwachsene. Anfang des Jahres mussten vier schlecht ausgerüstete Touristen aus einer Höhle geborgen werden. Alle Sommer wieder werden verloren gegangene Israelis oder Japaner in der Wildnis aufgelesen, die offensichtlich an Natur bisher nur Balkonpflanzen erlebt haben.
Vorige Woche verunglückte ein Jetboot, als es auf eine Sandbank auffuhr. Eine chinesische Touristin starb. Was Michael Laws - Schandmaul und Bürgermeister der Kleinstadt Wanganui - dazu brachte, öffentlich die "Las-Vegas-Lösung" vorzuschlagen: Warum nicht irgendwo in der Pampa zum Beispiel nahe Wanganui einen künstlichen Vergnügungskomplex für Swinger bauen? Allein in den USA gibt es acht Millionen von ihnen. Sie sind diskret, sie lassen gern was springen. Während ihre halb erwachsenen Kinder sich beim Bungee-Springen den Hals brechen, könnte diese erlesene Klientel ganz viel extremen Abenteuersport mit den Hotelnachbarn im Doppelbett erleben. Teure Rettungseinsätze? Nur noch nach einer Überdosis Viagra.
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