die wahrheit: Bertelsmann, Herrscher über Ratville
Bisher war Flamborough in East Riding, einem Bezirk der nordenglischen Grafschaft Yorkshire, für eine der blutigsten Seeschlachten des US- amerikanischen Unabhängigkeitskriegs berühmt...
Vor der Küste, am Flamborough Head, wurde am 23. September 1779 die englische Fregatte Serapis versenkt. Freilich sank auch die amerikanisch-französische "Bonhomme Richard", die die Schlacht eigentlich gewonnen hatte.
Nun, 230 Jahre später, verlieren die Engländer schon wieder eine Schlacht - diesmal gegen Ratten. Tausende von ihnen sind über Flamborough hergefallen. Sie organisieren sich in Banden, behauptet eine Anwohnerin. Nachts schwärmen sie aus, tummeln sich in den Gärten und dringen in die Häuser ein. Neulich brachten 200 Nager den Autoverkehr auf der Hauptstraße zum Erliegen. Die Leute haben die Katzentüren vernagelt, denn die Katzen trauen sich ohnehin nicht mehr vor die Tür. Und die Bewohner sichern ihre Hosenbeine mit Fahrradklammern oder Gummistiefeln, wenn sie unbedingt hinausgehen müssen. Der Ort heißt in der Gegend längst "Ratville".
Die Verwaltung von East Riding, der Bertelsmann-Konzern, hat Gift ausgelegt und Fallen aufgestellt, aber die Viecher vermehren sich wie Ratten. Seit 2006 verwaltet die Bertelsmann-Tochter Arvato den Bezirk, sie treibt die Gemeindesteuern ein, zahlt die Sozialhilfe aus, betreut die Bürgerbüros und verwaltet die Finanzen der Gemeinde, die rund 320.000 Einwohner zählt. Die Neofaschisten von der British National Party haben sich darüber ereifert, dass der "Nazi-Konzern" Bertelsmann nun über Briten regieren darf. Früher, so erzählt mein Freund Aribert, sei man im Hunsrück den Ratten zu Leibe gerückt, indem man eine von ihnen lebend gefangen und über einem offenem Feuer angesengt habe, bis sie quietschte. Als die anderen Ratten das hörten, sei ihnen mulmig geworden und sie zogen weiter. Vielleicht sollte sich Aribert bei Bertelsmann als Rattenbeauftragter bewerben.
Warum hat sich das Ungeziefer ausgerechnet Flamborough als Nest ausgesucht? Die Bewohner vermuten, dass die Umweltschützer schuld sind. Sie haben den Bauern geraten, am Rande ihrer Felder einen dünnen Streifen Korn stehen zu lassen, weil das der wilden Tierwelt zugutekomme. Nu ja, Ratten gehören irgendwie auch zur wilden Tierwelt. Andere meinen, die Nager seien die Strafe für die Sünde, eine Art biblische Plage. Als Nächstes kommen die Heuschreckenschwärme.
Auch in Dewsbury, im benachbarten West Riding, gibt es Ratten. Allerdings zweibeinige: Das Nest ist eine Hochburg der British National Party. Der russische Schriftsteller Alexander Grin, der sich als Vagabund, Goldwäscher, Matrose und Fischer durchschlug, hat 1924 "Der Rattenfänger" geschrieben, eine prophetische Parabel auf den Faschismus. Es geht darum, dass sich Ratten alle tausend Jahre in Menschen verwandeln können, um die Weltherrschaft an sich zu reißen. Die Erzählung wurde 1976 im damaligen Jugoslawien von Krsto Papic unter dem Titel "Der Rattengott" verfilmt. Der Film lief nur einmal, 1982, im deutschen Fernsehen. Ratville wäre ein guter Anlass für die Bertelsmann-Tochter RTL, ihn erneut ins Programm zu nehmen.
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