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die wahrheitIm Jahr des Ochsen – Grrr, Gargel, Ächz

Seitdem ich hier neulich einen Beitrag über die chinesische Ächzsprache angekündigt habe, reißen die E-Mails von Lesern nicht mehr ab, die alle wissen wollen...

...was es mit diesem seltsam heißenden Idiom auf sich hat. Damit ich die Mails nicht alle einzeln beantworten muss, folgt hier die Sammelerklärung: Ächz ist noch vor Chinglish die erste Fremdsprache, die sehr viele Chinesen beherrschen.

Was Chinglish ist, ist ja wohl inzwischen durch zahlreiche Blogs oder aus der Kolumne des leider viel zu früh verschollenen Titanic-Korrespondenten Walter Myna bekannt. Für den, der es trotzdem nicht weiß: Chinglish ist meistens eine wortwörtliche Übersetzung aus dem Chinesischen in ein ausgedachtes Englisch.

Schöne Beispiele findet man auch in zwei von dem in Peking lebenden Deutschen Oliver Lutz Radtke herausgegebenen, lustigen Chinglish-Büchern: "If you are stolen, call the police at once" (auf einem Schild in der Shanghaier U-Bahn) oder "Do not vote in the pool" (an einem Teich in Chongqing). Ich schätze mal, das Prinzip ist klar.

Aber wie geht Ächz? Bevor ich ein Beispiel gebe, hier erst einmal der Versuch einer Definition: Ächz ist eine nonverbale, oder besser: präverbale Stöhnsprache, die viele Chinesen Ausländern gegenüber benutzen. Dabei glauben diese Chinesen, dass der Ausländer des Chinesischen nicht mächtig ist, und er präverbales Geächze besser versteht, als auch nur ein Wort in der Landessprache.

Tatsächlich hat es Zeiten gegeben, da war diese Annahme richtig. Doch mittlerweile sprechen rund vierzig Millionen Nichtchinesen weltweit Hochchinesisch. Trotzdem beharren auch heute noch viele Chinesen darauf, dass sie sich in Ächz dem Ausländer besser verständlich machen.

Frage ich zum Beispiel in lupenreinem Hochchinesisch nach dem Weg, antwortet mir mein Gegenüber so: "Grrrr, würg, gargel, öchze, öchze, ächz." Dabei gestikuliert er wild und deutet in eine oder auch mehrere Himmelsrichtungen.

Er hat also meine Frage offensichtlich verstanden. Doch zu erkennen, dass das wahrscheinlich auch bedeutet, dass ich wenigstens etwas Chinesisch sprechen und verstehen kann, daran hindert ihn ein irgendwo im Hinterkopf eingebautes Programm.

Ein Äquivalent zum chinesischen Ächz ist wohl die deutsche "Kanaksprak", der sich auch manche Eingeborene bedienen, weil sie glauben, ansonsten von eingewanderten Menschen und ihren Nachfahren nicht verstanden zu werden. Das ist meistens genauso großer Blödsinn. Aber natürlich ist es auch lustig, Antworten auf Ächz zu erhalten, vor allem, weil sich viele Sprecher dabei angestrengt verrenken, um ihrem Geächze Nachdruck zu verleihen.

Manchmal aber nervt Ächz entschieden. Dann antworte ich dem Fragenden auf Wuff, einer von mir selbst erfundenen Bellsprache. Blöd nur, dass die Ächzsprecher meistens glauben, dass Wuff meine Heimatsprache sei. Neulich wechselte sogar einer, den ich angebellt hatte, von Ächz ins Hochchinesische und sagte: "Xie xie" - "Danke". Ich frage mich immer noch, was er verstanden haben mag.

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2 Kommentare

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  • HU
    Herrmann U. Zeitler

    Nicht nur die vielen Mailschreiber konnten den blutbadgenötigt verschobenen Artikel über das Ächzchinesische kaum erwarten, auch vermissen viele Titanic-Leser den viel zu früh verschollenen Walter Myna, auch deshalb, weil er dort seine nirvanamäßig guten Artikel mit einzwei sorgfältig gewählten Farbfotos garnieren konnte. Auf jeden Fall eine Torheit der dortigen dummdreisten konterrevolutionären neuen Machthaber, auch Zweierbande genannt, ihn in die Wahrheit entführt werden zu lassen. Aber, es gibt nur eine Wahrheit, und es gibt das Internet. Und das ist gut so. Gruß

  • AD
    Axel Dörken

    Geiler Artikel!

     

    Danke! Er bildet für mich heute den Abschluss des Studiums der online taz.

     

    Danke!

     

    Liebe Grüße

    Axel Dörken