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die wahrheitVon der Picke aufs Tor

Es sind oft die Kleinigkeiten, die bei einem großen Turnier wie einer Fußballweltmeisterschaft den Ausschlag geben. Ein Quäntchen Glück oder eine Stiefelspitze ...

... entscheiden dann übers Weiterkommen. Mit ebendieser Stiefelspitze überraschen echte Spitzenfußballer ihre Gegner: So wie einst Ronaldinho im Viertelfinale der Champions League den Ball aus dem Stand wie ein Tipp-Kick-Fußballer mit der Spitze am fassungslosen Petr Cech vorbei in die Maschen donnerte! Auch Ronaldinhos Vorbild Ronaldo nahm die Picke im Spiel gegen die Türkei erfolgreich zu Hilfe, und selbst der göttliche Pelé bediente sich bisweilen der verpönten Pickentechnik!

Der Direktstoß mit der Picke trifft den Ball hammerhart an einer kleinen Stelle und das Leder beschleunigt deshalb wie ein Torpedo Richtung Tor. Stahlkappen verstärkten früher diesen Effekt, und der Verfasser dieser Zeilen versetzte Anfang der Sechzigerjahre noch mit solch einem Stiefelpaar seine Gegner in Angst und Schrecken. Fußballästheten und Verteidiger mögen den unkonventionellen Pickenschuss gar nicht, denn es sieht nicht nur scheiße aus, es tut auch verdammt weh, wenn man so ein Geschoss abbekommt.

Die Picke eines Fußes ist in 44 Prozent aller Fälle der große Zeh. Bei manchen Menschen überragt aber auch die zweite Zehe alle anderen. Sie sitzt mittiger am Fuß und verbessert die Treffgenauigkeit des Schützen. Einen eigenen Namen hat ihr das aber genauso wenig eingebracht wie den zwei benachbarten Zehen. Nur der große und der kleine Zeh haben einen eigenen und bisweilen irreführenden Namen, da auch der kleine Zeh nicht der kleinste sein muss. Großer Onkel ist die einzige etwas persönlichere Bezeichnung für einen Zeh, ein kleiner Neffe dazu wurde aber leider nie bekannt.

Sechs Zehen an unseren Füßen sind namen- und gesichtslos. Noch nicht einmal das Geschlecht der "Finger des Fußes" ist geklärt, wir sprechen sowohl von einem Zeh wie von einer Zehe! Während jedes noch so kleine Knöchelchen im Innenohr mit einem Eigennamen versehen ist, sind uns die sichtbaren Knöchelchen am Fuß namenlos fremd.

Ganz anders dagegen der Afrikaner: Er kennt etwa 450 Namen für seine zehn Zehen: Pelé, Zinedine und viele mehr, die ein Europäer kaum richtig aussprechen kann wie Rume N igge oder Bäk N Baur. Die eleganten Barfußballer Afrikas und die Strandfußballer Südamerikas pflegen ihre teuren Zehen sorgfältig. Und zentralafrikanische Podologen sind bekannt für ihre Zehenzaubertänze. Auch sonst wird in Afrika eine ganz spezielle Zehenkultur gepflegt: Es gibt Zauberer, die aus den Zehen lesen!

Unzählige Redewendungen bekunden die fußballerische Verehrung der Zehen. Man sagt, "Wem du auf den Zehen stehst, der kann kein Tor schießen!" oder: "Wenn man sich den Zeh anstößt, tut der Kopf nicht weh."

Erst allmählich hält die uralte Kunst des Zehenlesens auch bei uns Einzug: Imre Somogyi ist einer von ihnen. Und was liest er aus dem Fuß? "Ich sage euch, Weltmeister wird der sein, dessen Pickenschuss im Endspiel unhaltbar ins Tor rauscht!"

Am besten, die Zehenscouts sondieren schon mal unauffällig die Füße der WM-Teilnehmer an den Pools nach einem vielversprechenden Hammerzeh!

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