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die wahrheitDes Windes blödes Bimmeln

Es ist ein Lärmen in der Welt: Laubpüster, Handys, Rasenmäher, die stundenlang durch den Nachbarsgarten knattern, sind die Plage unserer Tage.

Allerorten Krach und Getöse, die Erde ist im Verlauf der Menschheitsgeschichte zu einem Rabatzplaneten geworden, der kreischend und krakeelend durchs Weltall kullert, und das scheint mir der beste Beweis dafür zu sein, dass wir alleine sind in den unendlichen Weiten des Universums: Denn wenn es anders wäre, hätte sich längst jemand beschwert.

Gerade geräuschempfindliche Weltallbewohner wie ich sind daher dankbar für jeden Bestandteil der Realität, der still und stumm vor sich hin existiert: Für das Gras beispielsweise, dem niemand beim Wachsen zuhören muss; für die vielen Steine und Felsen, die seit Millionen Jahren regungslos an einer Stelle liegen und nicht mal an runden Geburtstagen ein großes Remmidemmi machen; oder auch für den Wind, der nur an ausgelassenen Tagen in den Wipfeln der Bäume rauscht, normalerweise aber bloß stillvergnügt mit den Blättern spielt.

Es gibt allerdings Menschen, die sehen das anders. Sie finden es schade, dass so eine sanfte Brise keine Geräusche macht, und hängen sich ein Windspiel auf die Terrasse, das bei der leisesten Luftbewegung klingelt und bimmelt und plingt. Menschen wie meine neue Nachbarin.

"Hörst du das?!", frage ich Theo, der bei mir zu Besuch ist. Selbstverständlich hört er es, denn er ist ja nicht taub. Während mir jedoch vor lauter Zorn schon dünne Rauchwolken aus den Nasenlöchern steigen, zuckt er bloß mit den Schultern. "Ach, komm", sagt er, "es gibt Schlimmeres! Stell dir vor, sie würde den ganzen Tag deutschen Hip-Hop hören! Manche Menschen glauben, dass so ein Windspiel wichtig ist für den Frieden in der Welt. Vielleicht will sie eine harmonische Beziehung zu den Äolselfen oder einem grünbemoosten Erdgnom herstellen, der in der Japankirsche wohnt. Ich finde, du solltest dich wegen solcher Kinkerlitzchen nicht so echauffieren."

"Nicht echauffieren!", denke ich also, als ich nachts im Bett liege und nebenan die Äolselfen klingeln. "Nicht echauffieren!", denke ich, während ich im Halbschlaf ein paar mäßig verzückte Schlümpfe an der Zimmerdecke Ringelpiez tanzen sehe. "Nicht echauffieren!", denke ich, als ich aus einem Traum hochschrecke, in dem ich in die Fänge einer esoterischen Spezialeinheit geraten war, die mir die Windspielfeindschaft mit den erprobten Mitteln der Heiligen Inquisition austreiben wollte. "Nicht echauffieren!" Doch leider höre ich nicht mehr auf mich und springe stracks aus dem Bett.

So trete ich hinaus auf meine Terrasse. Ich drücke mich an der Japankirsche vorbei, steige über das Geländer zur Nachbarin hinüber, nehme das Windspiel vom Haken - da aber verheddere ich mich mit den Füßen in einem Blumendraht, und während ich bimmelnd zu Boden stürze, geht drinnen auch schon das Licht an, so dass ich jetzt nur noch darauf hoffen kann, im Halbdunkel der Terrasse ein bisschen wie ein freundlicher Erdgnom auszusehen, dessentwegen man wirklich nicht die Polizei rufen muss.

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1 Kommentar

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  • G
    GonZoo

    Wer dank Roland Koch wie ich in einer verlärmten Anflugschneise des Frankfurter Flughafens lebt, weiß isländische Vulkane trotz ihres dumpfen Grollens zu schätzen. Ich mag aber natürliche Geräusche, und dazu gehört auch der Lärm des Kindergartens in 300 Meter Entfernung.

     

    Bei Menschen über 12 Jahre und Erwachsenen weicht die Toleranz jedoch dem Fantasieren über die fachgerechte Verwendung von Streitäxten. Unser Hausmeister liebt seinen Laubpüster mehr als seinen Opel.

     

    Vor meinem Fenster befindet sich ein großer, begrünter Platz. Wunderschön, aber es hallt ein wenig.

     

    So weiß ich diejenigen Jugendlichen zu schätzen, die statt wunderbarer In-Ohr-Kopfhörer mit ihrem glasklaren, bassbetonten Klang lieber die Miniaturlautsprecher in ihren Handys einschalten, um im Vorbeigehen die Poesie deutschen Hiphops zu verbreiten und allen Erwachsenen zu zeigen, wie scheisse sie sind. Einer, der spätabends von der Strassenbahn kommt, hört immer so etwas wie "...Verzweiflung... Tränen aus Blut... Jeder zeigt mir den Weg, doch ich seh nix...Du bist ein Opfer...scheisse... gefickt... Schlampe... Alder... krass... Tod... scheisse" oder so ähnlich, aber ich denke, das ist der ganze Text, und leider ist der Weg von der Tram bis in sein Ghetto für ihn und seine Maske ganz schön weit.

     

    Besonders inniglich habe ich den Typus Mensch liebgewonnen, der gerne kleine Hunde quält, meist fette alte Frauen. Sie praktizieren ihre "Tierliebe" indem sie die armen Viecher erst den ganzen Tag lang in der Wohnung einsperren, damit die Nachbarn durch deren Bellen wissen, daß sie noch leben, und führen sie dann an einer Leine zum Kacken, Bellen und noch mehr Kacken und noch mehr Bellen auf die Liegewiese. Die armen, kleinen Bellratten kläffen dann vor Verzweiflung ohne Unterbrechung und schnappen nach Radfahrern. Wenn der erstaunlich voluminöse Inhalt des bellenden Verdauungsschlauchs sich dann unter Schmerzen auf die Liegewiese entleert hat geht es bellend noch einmal um den Platz, um den Nachbarn praktizierte Tierliebe zu demonstrieren. Zwischendurch treffen die dicken alten Damen auf andere dicke alte Damen mit kleinen Kläffern, die sich wohl nur durch das Gekläffe vor dem Zutodegetrampeltwerden durch fette alte Frauen schützen wollen. Dann kläffen sie gemeinsam oder versuchen gegenseitig, sich totzubeißen, wahrscheinlich, um sich gegenseitig zu erlösen.

     

    Der einzige Trost, der mir bleibt, ist, daß die fetten alten, tierquälenden Frauen von dem fett krassen Typen mit dem Hiphophandy ebenso geweckt werden wie ich...