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die wahrheitFreude am Namen

Ahnenforschung - Die Henschels in der deutschsprachigen Literatur.

Bild: ap

Selbst dem großen Walter Kempowski ist immer wieder mal die törichte Frage gestellt worden: "Muss man Sie kennen?" In meinem eigenen Fall kann ich auf einen anderen Autor verweisen, den man kennen sollte, nämlich auf Gerhard Henschel, den Verfasser der Bücher "Freude am Schach" (Gütersloh: Bertelsmann 1959) und "Wieder Freude am Schlaf" (München: List 1966; Co-Autor Dr. med. Volker zur Linden). In den siebziger Jahren des abgelaufenen Jahrhunderts gab es dann noch einen Gerhard Henschel, der gemeinsam mit dem Wissenschaftsjournalisten Frederic Vester das ein oder andere Buch über die Volkskrankheit Krebs veröffentlichte. Danach kehrte Ruhe ein.

Gewiss, es machten der Gewerkschafter Detlef Hensche und der Fernsehmensch Manfred W. Henschel von sich reden, und bisweilen bin ich mit Eckhard Henscheid verwechselt worden. Ein depperter Rezensent eines verwirrenderweise von Henscheid und mir gemeinsam verfassten Sachbuchs hat uns allen Ernstes als "das Hensche-Duo" bezeichnet, doch im Großen und Ganzen kann ich nicht klagen: Kein Mensch hat mir meinen Namen streitig gemacht, und ich habe es in dieser Hinsicht wahrlich leichter als die Kollegen Jürgen Roth und Christian Schmidt, die alle naselang mit gleichnamigen Publizisten verwechselt werden. Christian Schmidt hat sich deshalb ein markantes Mittelinitial ausgedacht, das ihn als Christian Y. Schmidt ausweist, aber ich könnte wetten, dass er trotzdem noch des Öfteren ganz anderen Christian Schmidts zugedachte Rechnungen erhält.

In Gerhart Hauptmanns Drama "Fuhrmann Henschel" vertritt jemand die These: "Wo ein Henschel hinhaut, da wächst kein Gras mehr." Damit kann ich leben. Vertrackter verhält es sich mit den Henschels, die in Jörg W. Gronius Roman "Ein Stück Malheur" aus dem Jahr 2000 in Erscheinung treten: "Nebenan nach hinten raus wohnte das Ehepaar Henschel. Er war klein und dick und trug immer ein ärmelloses Unterhemd und hieß Pampel. Sie war groß und dünn, trug immer eine geblümte Kittelschürze, hatte immer ein verheultes Gesicht und hieß Henne. Ich weiß nicht, ob sie sich gegenseitig so nannten, aber meine Großmutter mütterlicherseits und meine Mutter sagten ,die Henne' und ,der Pampel'.

Manchmal standen meine Mutter und meine Großmutter mütterlicherseits ganz still in der Küche und lauschten nach nebenan. Man hörte eine Tür klappen, und meine Großmutter mütterlicherseits sagte: ,Jetzt ist der Pampel nach Hause gekommen. Voll wie tausend Mann.' Und meine Mutter sagte: ,Dann kann sich die Henne freuen.'" Doch das war bittere Ironie, denn nun "hörte man von nebenan klatschende Schläge und unterdrücktes Schreien", woraufhin des Erzählers Großmutter mütterlicherseits sagte: "Jetzt hat die Henne ihr Fett weg."

Die Erinnerung an einen noch unangenehmeren Henschel hat Joachim Fest in seiner Autobiografie bewahrt, die 2006 unter dem Titel "Ich nicht" erschienen ist und der Leserschaft bedrückende Erlebnisse aus der Zeit der Machtergreifung durch die Nazis vor Augen stellt: "Herr Henschel", so heißt es da auf Seite 81, "dessen Garten seitlich an den unseren stieß, erschien statt in der SA-Uniform von nun an im Schwarz der SS auf seinem Balkon; die Fäuste in den stämmigen Speck der Hüften gestemmt, rief er mit einer Art Befehlsstimme herüber, auch den ,Festgören' sei das Herumlärmen untersagt; als die ältere meiner beiden Schwestern zu ihrem Geburtstag einen Lampionzug veranstaltete, ließ er die Polizei kommen, um den ,Unfug' abzustellen."

Die Henschels haben, wie man sieht, in der Literatur einen üblen Leumund, auch wenn sie miteinander weder verwandt noch verschwägert sind. Einer Namensänderung stehen leider viele bürokratische Hindernisse im Wege, aber manchmal erreicht einen unglückselig versippten Henschel auch ein Wink von oben.

Im Juli 2010 überraschte mich der "Deutsche Rentenversicherung Bund" mit der brieflichen Mitteilung, dass mein Name relauncht worden sei: "Sehr geehrter Herr Henschel, uns wurde für Sie eine Namensänderung gemeldet. Wir übersenden Ihnen deshalb Ihren neuen Sozialversicherungsausweis." Bis heute weiß ich nicht, wer diesem Bund die mich betreffende Namensänderung gemeldet hat, aber wenn ich meinem neuen Sozialversicherungsausweis trauen darf, heiße ich ab sofort nicht mehr Gerhard Henschel, sondern "Gernhard Henschel".

Dagegen habe ich Widerspruch eingelegt, denn erstens schreibt man Gernhardt mit "dt", und zweitens heiße ich nach wie vor und allen Anfechtungen zum Trotze auch nicht ungern.

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2 Kommentare

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  • N
    Naskolnikov

    »›Wenn Sie also meinen,‹ sagte er, ›daß Sie den Henschel unbedingt brauchen, und wenn der Schirrmeister einverstanden ist …‹«

    Hier unterlief Hans Hellmut Kirst in »08/15 im Krieg« ein kleiner, aber entschuldbarer Fehler. Vermutlich hatte es ihm in der Nacht vor Abfassung der Textpassage von Frank Schirrmacher geträumt.

     

    »Der Wachtmeister Asch nahm das Idyll, das sich ihm bot, völlig kommentarlos zur Kenntnis. ›Was ist mit dem Henschel?‹ fragte er.«

     

    Und dann wird es kryptisch.

    »›Ich kann das,‹ sagte der und legte […] ein Kettenschloß in den Sperrhaken, der sich an der Rückwand des Henschel befand. Soeft drehte den Spezialschlüssel herum …«

  • F
    Feinfinger

    Hallo Herr Henschel!

    In Kassel gab es mal eine bedeutende Indusriellensippe namens Henschel. Es gibt sogar ein Henschel-Museum. Der Begründer der Dynastie Georg Christian Carl Henschel kam 1777 von Gießen nach Kassel. Wie steht es da mit verwandschaftlichen Graden? Und wo liegt der etymologische Ursprung des Namens?

    Mit neugierigem Gruß

    F.