die wahrheit: Im Jahr des Tigers: Reisetherapie
Immer wenn in Peking mein Chinabild allzu rosig zu werden droht, mache ich Urlaub in der chinesischen Provinz, um hier von den chinesischen Behörden...
...das Bild korrigieren zu lassen. Auch in diesem Jahr gelang das prächtig.
Bei meiner Reise durch die Provinzen Shandong und Liaoning durfte ich insgesamt vier Mal nicht in Hotels übernachten, weil ich ein Ausländer bin. Das heißt, diese Hotels hatten keine Lizenz, um auch Menschen mit einem nichtchinesischen Pass zu beherbergen. Es waren durchweg preiswertere Hotels, die zum Teil einiges an Komfort vermissen ließen, zum Teil aber auch nicht. Trotzdem wurde auch dieses Mal wieder behauptet, die Lizenzierung der Hotels sei eingeführt worden, um ausländische Menschen vor allzu miesen chinesischen Hotels zu schützen.
Weshalb nur Ausländer dieses Schutzes bedürfen, erklärte man mir allerdings nicht. Ob wir denn bessere Menschen seien, wollte ich von den Rezeptionistinnen wissen? Schweigen. Was sie denn dazu sagen würden, würde man ihnen im Ausland erklären, sie könnten in einem Hotel nicht wohnen, nur weil sie Chinesinnen sind? Noch tieferes Schweigen, begleitet von irritierten Blicken. Übernachten ließ man mich trotzdem nicht.
Die Sache mit den Hotels war allerdings nicht so schlimm wie die Tatsache, dass ich ausgerechnet in der Stadt Dalian - von der National Tourist Administration zu einer von Chinas "Best Tourist Cities" ernannt - als Ausländer plötzlich kein Internetcafé mehr benutzen durfte. Ein anderes Hotel konnte ich mir ja suchen, aber schlecht ein anderes Internet. Der Grund für das Café-Verbot: Seit ein paar Monaten muss man sich in Internetbars der Provinz Liaoning mit dem neuen, computerlesbaren chinesischen Personalausweis identifizieren, der dann an der Rezeption in den zentralen Internetbarrechner eingelesen wird. Als Ausländer besitze ich aber nur einen Pass, und den kann der Scanner nicht lesen. Also darf ich nicht an die Rechner ran.
Ich könnte ja diesen Schikanen noch etwas abgewinnen, wenn sie irgendwie sinnvoll wären, und sei es nur, um uns Nichtchinesen für die Niederschlagung des Boxeraufstandes und die Opiumkriege bis ins allerletzte Glied zu bestrafen. Doch tatsächlich sind sie nichts anderes als der reine Quatsch. Auf derselben Reise wohnte ich nämlich nicht nur tagelang in billigen Substandard-Pensionen, ohne dass sich jemand überhaupt für meinen Pass interessierte. Ich bezog auch einen Tag nach dem letzten Internetbarverweis ein Hotelzimmer am Hauptbahnhof von Dalian, in dem ein kompletter Rechner stand mit permanenter Highspeed-Internetverbindung.
Hier sah ich mir auf dem beliebten Videoportal Youku drei Horrorfilme hintereinander an, in denen beamtenähnliche Menschen auf fürchterliche Weise ums Leben kamen. Dabei betrank ich mich. So stellte ich sicher, dass ich meinen Verstand behielt, und aus mir kein blinder Chinahasser wurde. Dann fuhr ich zurück nach Peking. Hier warte ich jetzt darauf, dass mein Chinabild wieder rosig wird.
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