die wahrheit: Die Schule der Despoten
Koreakrise: Für Diktatoren ist die Schweiz Ausbilder Nummer eins
Wo liegt die Schule der Diktatoren? Keine leichte Frage. Und doch gibt es Anhaltspunkte. Mussolini beispielsweise kam 1902 in die Schweiz als Lehrer für sozialistische Emigranten aus Italien. Nebenbei studierte er in Lausanne beim Ökonomen Vilfredo Pareto. Im November 1936 beschloss die Leitung der Universität Lausanne mit 9:1 Stimmen, dem Duce, der seit 14 Jahren an der Macht war und ein Jahr zuvor Abessinien überfallen hatte, den Ehrendoktortitel zu verleihen.
In der Urkunde hieß es, der Diktator habe "eine soziale Organisation verwirklicht, welche das soziologische Wissen bereichert" habe. Nach Protesten im In- und Ausland verlegte die Universität den Festakt 1937 von Lausanne nach Rom.
Lenin lebte vor und während des Ersten Weltkriegs in Zürich, Bern und Genf, studierte nicht an einer Schweizer Universität, sondern benützte nur die wissenschaftlichen Bibliotheken und erhielt auch keinen Ehrendoktortitel. Er wohnte ab dem 16. Februar 1916 in der Spiegelgasse Nr. 14 über dem Restaurant Jakobsbrunnen und gegenüber dem Cabaret Voltaire, wo seit Anfang Februar 1916 die Dada-Bewegung ihr Zentrum hatte.
Ob er diese schrägen Typen kannte, ist nicht überliefert, gesichert ist jedoch, dass er Anfang Februar in Bern in Sachen Revolution unterwegs war und am 7. April eine Aufführung von Wagners "Walküre" in der Zürcher Oper besucht hat. Mit seinen Nachbarn von der Dada-Bewegung pflegte Lenin keinen Kontakt, insofern wäre es falsch, von einem Einfluss des Dadaismus auf den Bolschewismus kurz zu schließen.
Am 8. April 1917 verabschiedete sich Lenin mit einem noblen Brief von den Schweizer Arbeitern und dankte ihnen für "kameradschaftliches Verhalten gegenüber den Emigranten". Der Dank bekommt angesichts der heutigen SVP-Politik gegen Muslime, die sich im Minarett-Verbot zeigt, und der menschen- und völkerrechtswidrigen SVP-Initiative zur "Ausschaffung krimineller Ausländer" einen Zug ins Dadaistische. Was der Aufenthalt in der Schweiz zur Weiterbildung Lenins zum Diktator beigetragen hat, bleibt jedoch unklar.
Nordkoreas Diktator Kim Jong Il war zwar nie in der Schweiz, schickte aber seinen dritten Sohn und designierten Nachfolger, Kim Jong Un, von 1998 bis 2002 unter dem Pseudonym Pak Un im Berner Vorort Köniz in die Realschule. Der Vater-Diktator und sein ebenso kugeliger wie pausbäckiger Sohn wurden bei Elternabenden von nordkoreanischem Botschaftspersonal vertreten. Der Rektor der Schule bestätigte inzwischen, dass der Diktatorennachwuchs "gut integriert" gewesen sei. Er habe neben Englisch "leidlich Deutsch gesprochen, vermischt mit Berner Dialekt".
Wenn die Berner Glück haben, wird der Nachwuchsdiktator demnächst das Berndeutsche in Nordkorea als Zweitsprache einführen. Das wäre dann endlich einmal eine gute Meldung zum Berner Kulturexport nach all den schlechten Meldungen über den Import von Schwarzgeldern aus allen Diktaturen der Welt. Es sei denn, der General Kim Jong-Un, wie er jetzt offiziell genannt wird, gibt im Kriegsfall seinen Feuer-frei-Befehl auf Berndeutsch.
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