die wahrheit: Die Drolligkeit des Pizza-Italieners
Sprache ist schon was Schönes. Gäbe es sie nicht, müssten wir morgens beim Bäcker unsere Brötchen mit dumpfem Gegrunze und wildem Gestikulieren bestellen ...
... Zugegeben, in manchen Regionen Deutschlands machen die Ureinwohner, die beim Backwarenkauf die lokalen Dialekte benutzen und sich an den örtlichen Verhaltenskodizes orientieren, genau einen solchen archaischen neandertaleresken Eindruck, aber mit ein wenig ethnologischem Wissen und den entsprechenden Fremdsprachenkenntnissen kann man sogar die spezielle Freundlichkeit der Oberbayern und Thüringer dechiffrieren und würdigen.
Apropos Fremdsprachen: Warum fordern ausgerechnet die Deutschen ständig, die zugezogenen Muselmanen sollten gefälligst besser Deutsch lernen? Nicht, dass man mich falsch versteht: Kaum etwas ist mir rätselhafter als Menschen, die in ein fremdes Land ziehen und nach fünf, zehn, zwanzig Jahren immer noch nicht ordentlich die Landessprache beherrschen. Obwohl ich ansonsten grundsätzlich keinen Hang habe, mich irgendwem anzupassen, wäre es doch mein Bestreben, möglichst nicht an meiner Sprache als Ausländer erkannt zu werden. Meinetwegen an meinen lustigen Kopfbedeckungen oder meinem exotischen Tanzstil, aber bitte nicht an der Sprache! Das ist mir zu eindeutig und macht es den Idioten auf der Gegenseite zu einfach.
Die entscheidende Frage ist jedoch, warum schlechtes Deutsch bei manchen Orientalen für die hiesige Gesellschaft ein größeres Problem darstellt als das drollige Radebrechen des Eisdielen- oder Pizza-Italieners, der auch nach dreißig Jahren Deutschland noch so redet, als parodiere er sich selber auf einer drittklassigen Standup-Bühne.
Noch unverständlicher ist allerdings das Phänomen der kulturtreibenden Briten und Amerikaner vom Prenzlauer Berg, die auch schon seit zehn Jahren in Deutschland wohnen und oft so schlecht Deutsch sprechen, dass sie, setzte man sie in einem ostzonalen Dorf aus, verdursten müssten, weil sie noch nicht mal nach einem Glas Wasser fragen könnten. Schuld sind in diesem Fall allerdings die mit ihnen verkehrenden Deutschen aus dem Kunstmilieu, die mit den Englischsprachlern grundsätzlich nur Englisch sprechen, weil sie ja das neue, das polyglotte Deutschland repräsentieren. Schade nur, dass jeder schwedische Busfahrer besser Englisch spricht als diese Plappergermanen mit Abitur, was mal wieder beweist, dass Fernsehen mehr bringt, als in einem deutschen Gymnasium rumzusitzen. Zumindest wenn man Filme nicht der Unsitte des Synchronisierens unterzieht.
In keinem anderen Land der Erde weigern sich die Menschen zum Beispiel so hartnäckig das englische "th" richtig auszusprechen, obwohl jeder Deutsche das selbstverständlich könnte. Man muss ja nur die Zunge zwischen die Zähne klemmen. Und kurz und entspannt lispeln. Aber nein, hier spricht man immer noch gern ein scharfes Nazi-Film-s und lacht stattdessen über das "Alder, ich mach dich Krankenhaus"-Deutsch der Jungtürken. Sachen gibts …
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