die wahrheit: Die Milchgesichter vom Club der toten Käsefüße
Schauspieler des Grauens: Warum Männer Hugh Grant und Daniel Brühl hassen und Frauen das überhaupt gar nicht verstehen können.
Anfang der neunziger Jahre ging ich mit einer Freundin ins Kino. Sie wollte unbedingt eine Komödie sehen, über die alle sprachen: "Vier Hochzeiten und ein Todesfall". Sie amüsierte sich prächtig, besonders über einen ihr unbekannten britischen Schauspieler, der ihr so sehr gefiel, dass sie beim Abspann sitzen blieb, um seinen Namen zu erfahren. Beim Nachkinowein schwärmte sie dann noch lange von diesem herrlichen "Andie MacDowell". Damit sich der Abend für mich dennoch lohnte, ließ ich sie in dem Glauben, Hugh Grant hieße tatsächlich Andie MacDowell, die allerdings die weibliche Hauptrolle gespielt hatte.
Mittlerweile ist Hugh Grant der wahrscheinlich meistgehasste Schauspieler der Welt. Es existieren sogar weltweit operierende Hugh-Grant-Hassklubs. Dafür gibt es vielerlei Gründe, der wichtigste ist, dass Hugh Grant Hugh Grant ist: immer smart, immer charmant, immer komisch, immer durch die Vordertür kommend … Oder kann sich irgendjemand vorstellen, dass Hugh Grant ein schmutziges Wort wie "Analverkehr" auch nur in den Mund nimmt?
Selbst als der wirkliche Hugh Grant 1995 von der Polizei in Hollywood mit einer Prostituierten beim öffentlichen Oralverkehr erwischt wurde, wirkte das Pseudoverbrechen wie eine Inszenierung zur Imageverbesserung einer verstaubten Persönlichkeit. Hugh Grant ist eine Märchenfigur und als Idealgestalt Männern zutiefst zuwider - es sei denn, sie sind Filmkritiker: "Hugh Grant hat etwas, was Frauenzeitschriften und ihre Leserinnen lieben und was Männer hassen würden, wenn sie nicht neidlos anerkennen müssten, dass der Kerl gar nicht so übel ist", schrieb Michael Althen einmal in der FAZ, und dabei muss man neidlos anerkennen, dass nur ein echter Kerl die Chuzpe hat, so dreist genau das Gegenteil der Wahrheit über Hugh Grant zu behaupten - vermutlich, damit er noch einen Stich bei Frauen bekommt.
Tatsache ist, dass alle Männer Hugh Grant hassen. Punkt.
Was den Briten ihre leichten Liebeskomödien, sind den Deutschen ihre feierlichen Historienfilme. Erst wenn etwas historisch ist, wird es wertvoll - von Goethe bis Hitler, vom "Untergang" bis zum "Baader Meinhof Komplex". Und deutscher Historiendarsteller Nummer eins ist trotz seines jungen Alters Daniel Brühl. Dass Daniel Brühl noch nicht Hitler gespielt hat, verwundert schon sehr. Denn Daniel Brühl ist überall: als ostdeutscher Wendezurückdreher in "Good Bye, Lenin!", als schiffbrüchiger Geigenvirtuose in "Der Duft von Lavendel", als grüblerischer Schützengrabenleutnant in "Merry Christmas" und derzeit als erster deutscher Fußballlehrer in "Der ganz große Traum" - wieder pädagogisch wertvoll, diesmal mit angeklebt wirkendem Kinnbart, der Daniel Brühl noch milchiger erscheinen lässt, als er ohnehin schon ist: immer lieb, immer sauber, immer unschuldig …
Daniel Brühl ist das Gesicht des Idealdeutschen. Ironischerweise ist dieser Klischeegermane mütterlicherseits Katalane, geboren in Barcelona. Aber was wünschen sich Deutsche denn mehr als im Fußball Brasilianer, in der Liebe Franzosen, im Humor Briten und im wahren Leben halbe Spanier zu sein? Daniel Brühl ist so perfekt, er hat sogar einen Migrationshintergrund!
Bisher hat man Daniel Brühl nicht weiter beachtet wie das andere, das britische Milchgesicht. Doch nun vergeht sich Daniel Brühl am Fußball - selbstverständlich in einem Historienschinken, indem man es aber mit der historischen Wahrheit nicht so genau nimmt. Lieber hat man eine Art "Club der toten Käsefüße" zusammengedreht.
Plötzlich darf der Schauspieler Daniel Brühl selbst in der heiligen "Spochtschau" als Nachfolger des legendären Ziehungsbeamten Walter Baresel, des "Godfathers of Auslosung", die Partien im Halbfinale des DFB-Pokals ziehen - und verhaut zielsicher die einfache Aufgabe, mit Hilfe von vier Kugeln zwei attraktive Spiele Groß gegen Klein auszulosen. Stattdessen mussten das eine Match die Zweitligisten, das andere die Erstligisten bestreiten. Nicht mal als Losfee ist Daniel Brühl zu gebrauchen.
Fast jeder hat inzwischen versucht, sich den Fußball zu eigen zu machen. Für die Kraft des Fußballs spricht, dass er bislang alles ausgehalten hat, dachte ich neulich, als ich mir "Der ganz große Traum" im Kino ansehen wollte. In der Warteschlange vor der Kasse unterhielten sich zwei junge Frauen traumsicher über Daniel Brühl: "Wusstest du, dass Daniel Brühl ein Restaurant in Kreuzberg hat?" - "Aber hat nicht der Typ aus dem Dschungelcamp ein Restaurant in Kreuzberg?" - "Ja, genau! Daniel Brühl hat ein Restaurant in Kreuzberg!" - "Dann war Daniel Brühl der Typ, der so geweint hat und Dschungelkönig wurde?!" - "Den Film muss ich sehen!"
Tatsache ist, dass alle Männer Daniel Brühl hassen. Punkt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Überraschung bei U18-Wahl
Die Linke ist stärkste Kraft
Krisentreffen nach Sicherheitskonferenz
Macron sortiert seine Truppen
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Ukraine-Verhandlungen in Saudi-Arabien
Wege und Irrwege aus München
RTL Quadrell
Klimakrise? War da was?