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die wahrheitEiner, der liefert

Sprachkritik: Zu Besuch bei einem handfesten Idealisten.

Der sympatische Pensionär Herbert L. (67) hat den neudeutschen Business-Dummsprech nicht mehr ertragen - und die Sprachkritik in die eigenen Hände genommen. Die Wahrheit ließ sich bei einem Besuch von seine Aktivitäten berichten.

Die erste Kugel traf Lutz Mannhaber von VW, als er eben seine Power-Point-Präsentation beendet und damit begonnen hatte, dem Vorstand zu berichten: "Es ist nötig, dass wir zeitnah …", sagte der Manager noch, da löste sich sein rechtes Knie in einer roten Wolke aus Knorpel und Knochensplitter auf. Mannhaber, ein harter Hund, knickte kurz ein, griff nach dem Podium, wuchtete sich in Richtung Mikrofon und beendete seinen Satz: "… einen bold move machen". Da traf ihn die zweite Kugel direkt zwischen die Augen, der 50-Jährige war sofort tot.

IT-Spezialist Harald Strolcher, 43, war gerade mit seinem Audi unterwegs und überzeugte einen Kunden am Telefon: "Wissen Sie, wir bieten im Bereich sophisticated small medium business vertikale Lösungen, die kontextsensitiv sind und wirklich easy to handle", erläuterte Strolcher noch: "Ich meine, das ist wirklich keine rocket science …" Die Explosion ereignete sich unter der Hinterachse. Strolcher war sofort tot. Die Bombe war mit seiner Lichthupe kurzgeschlossen gewesen.

Ähnlich erging es dem BWL-Studenten Frank Müller, 24, bei einem Bewerbungsgespräch im 21. Stock des Deutsche-Bank-Towers zu Frankfurt: "Offen gestanden halte ich mich für einen high scorer, einen achiever, wenn Sie so wollen. Ich bin einer, der liefert." Das Projektil durchschlug der Reihe nach die verspiegelte Fensterscheibe, Müllers Herz und die Polster seines Sessels, bevor es im Estrich stecken blieb. Laut Spurensicherung muss der Mörder vom Dach des benachbarten Commerzbank-Hochhaus aus geschossen haben.

"Genau!", sagt Herbert L. und schmunzelt: "Ich musste den Wind einberechnen, schwierige Sache. Noch Tee?" Seinen Namen möchte er lieber nicht in der Zeitung lesen. Wichtig ist ihm nur seine Mission: "Ich will die Sprachkritik aus dem Elfenbeinturm holen und etwas … handfester gestalten. Immer nur Leserbriefe an die FAZ zu schicken, das war mir nicht mehr genug", erklärt L. und setzt sein Präzisionsgewehr wieder zusammen, ein Modell 460 von Steyr. Als ehemaliger Deutschlehrer weiß L. natürlich, dass jede Sprache andauernden Veränderungen unterworfen ist.

Als Idealist will er aber dennoch nicht untätig bleiben - und weitermachen: "Es gibt viel zu tun. Bisher habe ich ja nur dreimal, äh, korrigierend in den Sprachgebrauch eingegriffen". Kann L. denn da mit seiner performance zufrieden sein? "Mit meiner … was?", fragt L. ungläubig, seine Augen verengen sich zu Schlitzen, seine Rechte greift instinktiv nach Modell 460. Nein! Ich meinte natürlich Performanz, soziales Handeln also, nicht performance! L. entspannt sich sichtlich: "Na ja, manchmal fühle ich mich dem burn out nahe", sagte er - und erbleicht. Uns ist klar, was das bedeutet. Soll ich …? "Nein, danke, das erledige ich schon selbst", seufzt L. und bringt mich noch zur Tür. Armer Kerl, am Ende des Tages …

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