die wahrheit: Concerto in PS-Dur
Verkehr: Minister Ramsauer greift musikalisch gern in die Vollen.
Zwischen den Herrschenden und der Musik gibt es seit jeher eine tiefe innere Verbindung. Nero und die Leier, Hitler und Wagner, Bill Clinton und das Saxofon, Boris Jelzin dirigiert ein Berliner Polizeiorchester.
Auch Peter Ramsauer (CSU) hat anscheinend noch Großes vor. Der Kulturkreis der deutschen Wirtschaft hat sich zu seinem sechzigsten Geburtstag mit einer Klassik-CD beschenkt. Ramsauer ist bei diesem Projekt Schirmherr und Interpret. Begleitet vom Orchester der Deutschen Oper in Berlin unter Leitung von Stephan Frucht spielen sieben Pianisten die sieben langsamen Sätze aus sieben Klavierkonzerten von Wolfgang Amadeus Mozart.
Die Entdeckung der Langsamkeit beim Sebastian Vettel der Wiener Klassik dient dem höheren verkehrspolitischen Zweck der seelischen Entschleunigung. Der Soundtrack für den Dauerstau trägt - ohne Alliteration geht gar nichts - den melodiösen Titel "Adagio im Auto". Die gleichnamige Website nennt viele hehre Ziele. Nicht nur geht einer der sechs Euro pro CD an die Aktion Kinder-Unfallhilfe e.V., wichtiger noch ist die Tiefenentspannung des Autofahrers.
Ramsauer grußwortet: "Aggressive und besonders laute Musik bleibt in der Regel nicht ohne Auswirkungen auf das Fahrverhalten. Deshalb lautet die Empfehlung, im Auto Musik auszuwählen, die das Konzentrationsvermögen unterstützt, Aggressionen entgegenwirkt und zur Entspannung beiträgt."
An dieser Stelle möchte man einwenden, dass Franz Josef Strauß gern mit dem "Walkürenritt" über die Autobahn gebrettert ist und es trotzdem zu etwas gebracht hat im Leben, aber Ramsauer gibt sich unbeirrt: "Gerade Vielfahrern ist deshalb angeraten, laute und unruhige Musik gegen die leiseren und ruhigeren Töne einzutauschen."
Ruhig, sehr ruhig ist auch Ramsauers Auftritt auf der Website. Der begeisterte Hobby-Pianist hat sich kein Adagio, sondern ein Andante ausgewählt, nämlich den 2. Satz aus dem Klavierkonzert Nr. 21, Köchelverzeichnis 467 in C-Dur. Einer von Mozarts berühmtesten Gassenhauern, genauso bekannt wie die "Kleine Nachtmusik" oder der "Türkische Marsch" aus der Klaviersonate Nr. 11.
Joachim Kaiser, der Klassikbeauftragte des ADAC Bayern, schreibt zu jenem Andante: "Der zweite Satz aus dem 1785 verfassten Konzert Nummer 21 passt kongenial zum täglichen Stau auf der A 9 zwischen Allershausen und Garching-Süd. Ortskundigen Autofahrern wird empfohlen, sich auf eigene Faust eine Umleitung zu suchen und dabei den dritten Satz (Allegro Vivace Assai) anzuhören, um die verlorene Zeit wieder reinzuholen."
Ehe man sich jedoch verhört, ist der kurze Audioclip auch schon wieder vorbei, ohne dass Ramsauer auch nur einen einzigen Anschlag ausführen kann. Ein teuflisch-trickreicher Teaser. Jetzt muss man die CD kaufen, um herauszufinden, ob Ramsauer so talentiert ist, wie die Süddeutsche Zeitung behauptet. Vermutlich schon, denn er will ja nicht als Unfallursache dienen, er möchte nicht, dass die Aussage "Er hat Ramsauer gehört" standardmäßig strafmildernd bei Trunkenheitsfahrten berücksichtigt wird.
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