die wahrheit: Rumoren im Bad
Was passiert, wenn eine nicht geschlachtete Weihnachtsgans das Bad blockiert, in der Wanne der Silvesterkarpfen dümpelt oder der unbenutzte Weihnachtsbaum die Besenkammer versperrt?...
... Dann ist es höchste Zeit, über einen Umtausch nachzudenken! Doch kann man unbenutzte Tiere und Pflanzen einfach umtauschen? Da wird der Jurist nachdenklich den Kopf wiegen und darauf hinweisen, dass es ein Umtauschrecht für Lebewesen nicht gibt. Das gibt es noch nicht mal für Sachen, außer bei Onlinekäufen, und das gilt auch nur für 14 Tage. Die sind aber schon lange abgelaufen.
Es fällt schon wieder etwas um im Bad, die Gans muss endlich weg! So eine Gans ist laut BGB seit 1990 ein Tier und keine Sache mehr und unterliegt seit dem 1. 1. 2002 der EU-Verkaufsgüterrichtlinie, die dem erfreuten Verbraucher eine Gewährleistungspflicht von sechs Monaten einräumt. Har! Wenn unsere Gans also einen wesentlichen Mangel aufweist, muss der Gänseverkäufer den Mangel beseitigen, für einen mängelfreien Ersatz sorgen oder uns das Geld zurückgeben. Mit Zins und Zinseszins! Und eine Weihnachtsgans, die unser Bad wochenlang belegt, ist ja wohl ein wesentlicher Mangel. Das ist schon eine Zumutung!
Wie kann jetzt der Gänseverkäufer den gravierenden Mangel beseitigen? Natürlich kann er stillschweigend die Gans zurücknehmen, das Geld zahlen und fertig. Eventuell würden wir auch einen Goldklumpen akzeptieren, aber das ist eine andere Geschichte. Gewöhnlich wird der Gänseverkäufer aber herumzicken. Wir bieten ihm also an, eine mängelfreie Ersatzgans zu akzeptieren. Der gewissenlose Gänseschacherer muss zähneknirschend darauf eingehen, denn das Gesetz ist auf unserer Seite. Danke, EU-Verkaufsgüterrichtlinie!
Der Verkäufer muss also eine Gans anschleppen, die als Weihnachtsgans tauglich ist, denn so lautete ja der ursprüngliche Kaufvertrag über die Gans in der Kammer. Ruhe, da drinnen! Doch unsere Forderung könnte den Viehhändler vor Probleme stellen, wenn er überhaupt noch Gänse hat, denn wir werden eine simple Frühjahrsgans keineswegs akzeptieren, es muss eine amtliche Weihnachtsgans sein! Was das Beste ist, gilt bei den ganzen Verhandlungen doch für den Verkäufertropf die Beweislastumkehr (har, har): Er muss beweisen, dass die Schuld für die mangelnde Eignung der Gans als Weihnachtsgans nicht bei ihm liegt. Wenn er nicht schon vor der Wucht des Begriffes Beweislastumkehr einknickt und stillschweigend zahlt, muss er beweisen, dass sein Produkt nicht schadhaft war (Ruhe im Bad!), wenn der Schaden nicht innerhalb der ersten sechs Monate aufgetreten ist.
Ist er aber, Euer Ehren, nach Weihnachten fing das alles an. Und es gibt Zeugen! Die brauchen sich bloß an die Badezimmertür zu stellen, dann hören sie die Gans rumoren. Und das ist ein erheblicher Mangel, denn in der Nachweihnachtszeit sollte sie schlechtestenfalls in unserem Magen rumoren.
Eine etwaige Ersatzgans wird der Weihnachtsganskäufer als unbillige Zumutung ablehnen, denn ein fremdes Tier im Bad ist unzumutbar. Gleichzeitig sollte eine Klage auf Erstattung der Futterkosten beim Geflügelhändler eintreffen, die den Standpunkt der Mangelhaftigkeit der erworbenen Gans unterstützt, denn nur eine mangelbehaftete Weihnachtsgans kann nach Weihnachten Futterkosten verursachen. Wenn die Futterkosten sprudeln, sollte unsere weitere Strategie darin bestehen, den möglichen juristischen Prozess bis zum nächsten Weihnachtsfest am Köcheln zu halten, denn dann können wir großzügig einlenken und die Weihnachtsgans wie geplant als Weihnachtsgans einsetzen.
Blöd ist nur, dass solange das Bad blockiert ist. Aber da kann man nichts machen, selbst Weihnachtsgänse haben Menschenrechte!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste