die nachricht: Die größte Holzernte seit Jahren in deutschen Forsten
Die Waldbesitzer schlagen so viel Holz wie nie, um durch Dürre, Stürme und Insekten geschädigte Bäume zu entfernen. Über die Folgen für den Waldumbau gibt es Streit
Das Neue
Eine Kombination von Stürmen, Dürre und Borkenkäferplage hat 2018 zur größten Holzernte seit über einem Jahrzehnt geführt. Im vergangenen Jahr wurden deutschlandweit 64,4 Millionen Festmeter Holz eingeschlagen, wie der Bundesverband der Deutschen Säge- und Holzindustrie mitteilte. Das war so viel wie seit 2007 nicht mehr, ein Festmeter Holz entspricht einem Kubikmeter.
Der Kontext
Fast die Hälfte der Ernte des vergangenen Jahres war „Kalamitätsholz“, so der Fachbegriff, mit dem die Forstbranche Holz aus geschädigten Beständen bezeichnet. „Der Klimawandel ist auch im Wald angekommen“, sagt Martin Neumeyer, Vorstandschef der Bayerischen Staatsforsten, mit einer bewirtschafteten Fläche von mehr als 800.000 Hektar der größte deutsche Waldbesitzer. „Die Wälder überall in Mitteleuropa leiden unter Trockenstress, Borkenkäfervermehrung sowie Schneebruch- und Sturmschäden.“ Anders als Buchen oder Eichen sind Fichten Flachwurzler und besonders anfällig für Sturm und Dürre.
Die Reaktionen
Der Umweltverband Nabu sieht im Schädlingsbefall im Wald in einigen Regionen ein „selbst gemachtes Problem“ – beispielsweise in Brandenburg, wo die staatlichen Forsten in großem Maßstab Insektengifte einsetzen wollen, um die Bäume zu schützen. „Seit Jahren wurde in Brandenburg der Umbau der Wälder zu resistenteren Laubmischwäldern vernachlässigt und durch wenig weitsichtige Pflanzungen die Ausbeutung der Natur vorangetrieben“, sagt der Ökotoxikologe und Nabu-Waldexperte Werner Kratz. Er fordert, „auf großer Fläche Natur zuzulassen und das Absterben der Kiefernplantagen in Kauf zu nehmen, um dann großräumig Mischwälder aufzuforsten“. Die privaten Waldeigentümer hingegen haben angesichts des Preisverfalls beim Holz einen anderen Forderungskatalog erstellt. So mahnten sie staatliche Hilfen in Höhe von 500 Millionen Euro an, um das Schadholz aus den Wäldern schaffen zu können. Zudem müssten die Landesregierungen dafür sorgen, dass bereits zugesagte Förderungen aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ umgesetzt würden. Außerdem verlangten sie, dass in den staatlichen Wäldern darauf verzichtet werde, Frischholz zu schlagen, um den Markt für Schadholz zu stärken.
Die Konsequenz
Der Nadelholzmarkt gilt weitflächig als „zusammengebrochen“. Der Erzeugerpreisindex des Holzindustrieverbands für Fichtenstammholz ist 2018 unter den Wert von 100 Punkten gefallen – 2015 lag der Index noch bei 125. So teilte die Landwirtschaftskammer Niedersachsen kürzlich mit, die heftigen Turbulenzen am Nadelholzmarkt erschwerten zunehmend die Angabe verlässlicher Preisspannen. „Deshalb haben wir beschlossen, die Veröffentlichung der Preise ab April 2019 vorerst auszusetzen.“ Man bedauere dies und hoffe, bald zu stabileren Verhältnissen zurückkehren zu können. Die Preise für höherwertiges Laubholz sind stabil. (hol, dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen