die nachricht: Welcher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort
EU-Ministerrat einigt sich auf eine Reform der „Entsenderichtlinie“. Erster Schritt gegen organisiertes Lohndumping in Europa. Für Lkw-Fahrer gilt die Neuerung allerdings nicht
Das Neue
Der EU-Ministerrat hat sich nach einer turbulenten Marathonsitzung in Luxemburg auf eine Reform der sogenannten Entsenderichtlinie geeinigt. Dieses EU-Gesetz aus dem Jahr 1997 legt fest, wie Arbeitnehmer zu bezahlen sind, die aus ihrer Heimat in ein anderes EU-Land geschickt („entsandt“) werden. Der Kompromiss sieht vor, die bisher unbefristeten Entsendungen auf 12 Monate zu begrenzen; eine Verlängerung um weitere 6 Monate ist möglich. Während der Entsendung muss eine Firma weiter dieselben Sozialabgaben wie im Heimatland zahlen, danach gelten die Regeln des Gastlandes. Dem „Sozialdumping“ wird so ein Riegel vorgeschoben.
Für Lkw-Fahrer gilt die Neuregelung nicht. Für das Speditionsgewerbe ist ein eigenes, branchenspezifisches EU-Gesetz in Arbeit. Hier hatten sich Spanien, Portugal und Irland hinter die Osteuropäer gestellt. Die Reform soll aber erst vier Jahre nach der endgültigen Verabschiedung in Kraft treten, für die noch eine Einigung mit dem Europäischen Parlament nötig ist.
Der Kontext
Rund 2 Millionen Menschen fielen unter die bisher gültige Entsenderichtlinie. Die meisten kamen aus Polen, viele wurden schlecht bezahlt und genossen wenig Schutz. Die EU-Kommission hatte schon im März 2016 eine Reform vorgeschlagen. Doch Osteuropa, das von den alten Regeln profitiert, wehrte sich vehement gegen Änderungen.
Erst nach der Wahl Emmanuel Macrons in Frankreich im Mai 2017 kam Bewegung in den seit Jahren festgefahrenen Streit. Das „Lohn- und Sozialdumping“ müsse abgestellt werden, forderte Macron.
Die Reaktionen
Der französische Staatschef feierte den Kompromiss am Dienstagmorgen als großen Erfolg. „Das ist der erste Schritt auf dem Weg zu einem Europa, das schützt und vereint“, verkündete Emmanuel Macron in Paris. Ab sofort werde sichergestellt, „dass Arbeiter für gleiche Arbeit am gleichen Ort die gleiche Bezahlung erhalten“, freute sich auch EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen. Der Europäische Gewerkschaftsbund hingegen sprach von einem „enttäuschenden Deal“. Es komme jetzt auf die Europaabgeordneten an, mehr für die Arbeitnehmer herauszuholen. Den Arbeitgebern ging der Beschluss wiederum viel zu weit: „Das ist ein schlechter Kompromiss, der von politischer Symbolik getrieben wurde“, murrte der europäische Dachverband BusinessEurope in Brüssel. Die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände sprach sogar von einem Rückschritt für Europa.
Die Konsequenz
Ob und wann das Europaparlament zustimmt, ist noch offen. Die Parlamentarier hatten sich erst vor einer Woche für eine viel ehrgeizigere Reform ausgesprochen. So sollten die entsandten Arbeitnehmer künftig Anspruch auf Urlaubsgeld, Prämien und andere Lohnbestandteile erhalten, was auf deutlich mehr Geld in der Lohntüte hinausliefe. Die Reform geht nun in den sogenannten Trilog mit Ministerrat, Parlament und EU-Kommission. Dabei dürfte es neuen Streit geben.Eric Bonse, Brüssel
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